Entwicklung von Itembatterien für Fragebögen

Ein Mann schreibt auf Blatt Papier

Die Entwicklung valider Fragebögen stellt den Marktforscher jedes Mal wieder vor eine große Herausforderung. Es muss geklärt werden, welche Items in den Fragebogen aufgenommen werden sollen bzw. müssen und welche Items man besser weglässt. Dabei gilt es ganz besondere Restriktionen zu beachten: Die Konzentrationsfähigkeit und Auskunftsbereitschaft der Probanden. Zu lange Fragebögen, die alle wichtigen Aspekte des Befragungsthemas abdecken wollen, überfordern die Probanden und führen zu nicht sorgfältig ausgefüllten Fragebögen oder produzieren hohe Abbrecherraten. Kürzt man den Fragebogen dagegen zu sehr, können wichtige Aspekte nicht abgefragt werden und fehlen als Informationsgrundlage für die spätere Entscheidungsfindung.

Im vorliegenden Beitrag stellen wir verschiedene Methoden zur Entwicklung valider Fragebögen vor, die sich in der Praxis bewährt haben. Aus unserer Sicht kommt es ganz besonders auf die gezielte Kombination mehrerer Forschungsansätze an, um einen validen und probandengerechten Fragebogen zu entwickeln. Als Beispiel dient die Entwicklung eines Fragebogens zur Messung der Kundenzufriedenheit mit einer Website.

Das Rad nicht immer neu erfinden?
Kunden sind mit einer Website zufrieden, wenn es gelingt ihre Erwartungen zu erfüllen oder zu übertreffen. Vorrangiges Ziel muss es daher sein, die zentralen Anforderungen der Kunden zu ermitteln. Der erste Schritt auf dem Weg zu einem validen Fragebogen ist die Sichtung bereits existierender Zufriedenheitsstudien. Diese liegen vielleicht bereits im eigenen Unternehmen vor. Falls noch keine eigenen Studien durchgeführt wurden ist es ratsam, im Internet nach relevanten Studien zu recherchieren. Es kommt dabei darauf an, möglichst Studien zu finden, die sich inhaltlich sehr nah am eigenen Untersuchungsgegenstand befinden (z. B. in der gleichen Branche durchgeführt wurden). Da sich die Erwartungen der Kunden ständig weiterentwickeln bzw. sich im Zeitablauf immer weiter erhöhen, sollte es sich um möglichst aktuelle Studien handeln. Die dort abgefragten Itembatterien geben einen ersten Anhaltspunkt für die eigene Studie. Optimal sind Studien, in denen Aussagen zur Güte der verwendeten Itembatterien getroffen werden. Wie gesagt, diese Studien sollen in erster Linie als Gedankenanregung für die eigene Studie dienen und nicht einfach unreflektiert übernommen werden.

Besser man fragt gleich die Kunden!
Die beste Adresse für die Ermittlung von relevanten Kundenanforderungen sind natürlich die Kunden selber. In persönlichen Einzelinterviews oder Fokusgruppen kann man mit Kunden ins Gespräch kommen und sie zu ihren Erwartungen und Anforderungen an eine Website befragen. Für die Strukturierung dieser Gespräche wurden im Laufe der Zeit eine ganze Reihe Verfahren entwickelt, von denen wir die sequentielle Ereignismethode und die Methode der Kritischen Ereignisse hier einmal näher vorstellen möchten.
Worauf achten Kunden besonders?
Bei der sequentiellen Ereignismethode handelt es sich um eine phasenorientierte Kundenbefragung, mit deren Hilfe ein breites Spektrum zufriedenheitsrelevanter Aspekte erhoben werden kann. Als Gesprächsunterstützung können Screenshots vom jeweiligen Online-Shop oder der Online-Shop selbst genutzt werden.

amazon.de

Beispiel für die Verwendung eines Screenshots im Rahmen der sequentiellen Ereignismethode (Quelle: amazon.de)

Der Interviewer befragt den Probanden zu den einzelnen Phasen des Surfprozesses. Angefangen beim Aufrufen der Startseite (oder einer anderen relevanten Landingpage), über die Navigation im Online-Shop, die Suchfunktion (sofern sie vom Kunden verwendet wird), bis hin zum Checkout-Prozess. So erhält man ein umfassendes Bild über die Erwartungen und Anforderungen der Kunden an einen Online-Shop. Die Äußerungen der Kunden werden dann inhaltsanalytisch ausgewertet und die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Formulierung des Fragebogens ein.

Was ist den Kunden besonders im Gedächtnis geblieben?
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt dagegen die Methode der Kritischen Ereignisse. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bilden kritische Ereignisse, die der Kunde mit dem Online-Shop bzw. Anbieter erlebt hat. Als kritisch gilt ein Ereignis, wenn es dem Kunden entweder besonders positiv oder besonders negativ in Erinnerung geblieben ist. Es ist bekannt, dass kritische Ereignisse den Kunden besonders in Erinnerung bleiben und einen starken Einfluss auf ihre Zufriedenheit mit dem Online-Shop bzw. dem Online-Anbieter ausüben. Im Interview oder in einer Online-Befragung werden die Kunden gebeten, sich an besonders positive oder besonders negative Ereignisse aus der näheren Vergangenheit (z. B. aus den letzten 6 Monaten) zu erinnern. Die Schilderungen der Kunden werden aufgenommen und später einer Inhaltsanalyse unterzogen. Im ersten Auswertungsschritt geht es darum, die Erlebnisse in positive und negative Erlebnisse zu unterteilen. Anschließend werden die Erlebnisschilderungen in Kategorien (z. B. Erlebnisse mit der Suche oder der Produktdetailseite) eingeteilt. Die Aspekte, die in den Schilderungen angesprochen werden können später für die Formulierung der Itembatterie genutzt werden.

Der Vorteil beider Verfahren besteht darin, dass nur Aspekte in die Fragebogenformulierung einfließen, die für den Kunden von Bedeutung sind. Gerade durch die Kombination beider Verfahren kann sichergestellt werden, dass ein relativ vollständiges Abbild (sequentielle Ereignismethode) und besonders relevante Anforderungen (Methode der Kritischen Ereignisse) aufgenommen werden.

Portraitfoto: Alexander Magerhans

Alexander Magerhans

Wissenschaftlicher Beirat / Vertretungsprofessur Marketing

Fachhochschule Jena

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