Gamification: Die richtige Entscheidung für die Entscheidungen treffen

Wie bereits im Artikel zu Motivationsfaktoren beschrieben ist, sind Entscheidungen ein wichtiges Element im Game Design und somit auch bei Gamification. Bedeutsame, tiefgreifende Entscheidungen können den Spieler motivieren und die Wiederspielbarkeit erhöhen.
Die richtigen oder besten Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, ist jedoch nicht so leicht. Man kann zwischen 3 verschiedenen Arten von Entscheidungen differenzieren:
- Impuls
- Einfluss
- Moral
Übrigens: Wer keine Zeit hat, diesen Artikel zu lesen, kann ihn sich auch anschauen. Hier geht es zum Video (Videolänge: 2 Minuten).
Impulsive Entscheidungen sind kurzweilig

Impulsive Entscheidungen trifft man ohne langfristige Auswirkungen
Spiele bieten hier eine einzigartige Möglichkeit Impulsentscheidungen auszuleben. Obwohl man in einem Spiel nicht alle Möglichkeiten hat, die das echte Leben einem bietet, kann man jedoch so manch eine Impulsentscheidung treffen, ohne dabei die Konsequenzen des echten Lebens tragen zu müssen. Baut man in einem Autorennspiel einen Unfall und das Auto explodiert, kann man mit einem Tastendruck von vorne starten und der Avatar und das Auto sind komplett unversehrt.
Diese Möglichkeiten bieten Freiheit und Autonomie, was wiederum motiviert. Es geht darum, dem reinen Impuls zu folgen, ohne gravierende Konsequenzen zu spüren.
Übertragen wir dies nun auf Gamification: Der Nutzer sollte innerhalb der Regeln der Anwendungen die Möglichkeit haben, frei Entscheidungen zu treffen, ohne signifikante Konsequenzen zu spüren. Dies gibt dem Nutzer das Gefühl von Freiheit.
Konkret mit einem Beispiel gesprochen: Angenommen wir sind auf einer e-Commerce Webseite die ein Gamification Feature für Achievements anbietet. Man kann kleine Aufgaben absolvieren, um Punkte zu erhalten. Der Nutzer kann in der Woche immer 5 verschieden Achievements erfüllen. Darunter gehören beispielsweise „News lesen“ und „Rezension abgeben“. Der Nutzer kann jedoch völlig frei entscheiden, welches der beiden Achievements er zuerst machen möchte. Er kann tun worauf er gerade Lust hat und erhält bei beidem ähnliche Vorteile.
Entscheidungen mit Einfluss sind langfristig und sollten überlegt sein
Im Gegensatz zu den Impulsentscheidungen stehen die Entscheidungen mit Einfluss, wie beispielsweise, ob man Informatik oder BWL studieren möchte. Diese Entscheidung hat einen langfristigen Einfluss auf das Leben. Daher sind solche Entscheidungen meist mit längeren Überlegungen und einem Entscheidungsprozess verbunden. Man benötigt ausreichend Informationen, um den Einfluss so gut wie möglich abschätzen zu können.
Diese Art der Entscheidung hat aber nicht nur Einfluss auf einen selbst, sondern auch auf die Umwelt und auf andere, wenn beispielsweise das Studium mit einem Umzug verbunden ist und man sich eine neue Wohnung suchen muss und der Freundeskreis auf einmal weiter weg ist.

Es werden viele Informationen benötigt um alle Einflüsse der Entscheidung abwägen zu können.
Daher fallen diese Entscheidungen vielen Menschen sehr viel schwerer, weil man häufig nicht alle Einflüsse antizipieren kann.
In Spielen steigern diese Art von Entscheidungen die Immersion. Die Entscheidung wirkt realer, wenn sie langfristige Konsequenzen hat und wird dadurch bedeutsamer. Auch dies wirkt motivierend, da es dem Spieler das Gefühl von Macht und auch Autonomie vermittelt. Er hat die Möglichkeit, das Spiel mit seinen Entscheidungen zu formen. Zudem bleiben die Konsequenzen aber innerhalb des Spiels. Fängt man das Spiel von vorne an, kann man wieder neu wählen. Dadurch sind die Entscheidungen nicht so erdrückend für den Spieler.
Es hilft in jedem Fall dem Spieler alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, sodass er seinen Einfluss bestmöglich abschätzen und danach, die für ihn, richtige Entscheidung treffen kann. Jedoch muss die Konsequenz dann auch der Erwartung entsprechen, sonst kommt schnell Frustration auf.
Diese Regel gilt auch für Gamification. Man sollte versuchen dem Nutzer alle benötigten Informationen zur Verfügung zu stellen. Das gelieferte Ergebnis sollte dann auch den Erwartungen entsprechen.
Zusatzinformationen, Erfahrungsberichte und korrekte Statusanzeigen sind Beispiele, wie dem Nutzer dabei geholfen werden kann, Informationen zu sammeln. Er sollte die Freiheit haben, diese anschauen zu können, es aber nicht zu müssen.
Bei moralische Entscheidungen hat man eigentlich keine Wahl

Entscheidungen die von der Moral bestimmt sind bieten keine Wahl
Spiele, in denen man tausende von computergesteuerten Avataren, Monstern o. ä. töten kann, ohne jemals eine Konsequenz zu erfahren, basiert jedoch nicht auf den gleichen moralischen Werten. Besonders dieser Aspekt wird häufig an den sogenannten „Ballerspielen“ kritisiert. Daher gehen viele Spiele dazu über, beispielsweise eine Art Karma-System einzuführen. Man muss sich entscheiden, ob man den „guten“ oder „schlechten“ Weg einschlägt. Je nach Weg hat man Zugang zu anderen Features, trägt aber entsprechend auch andere Konsequenzen. So kommt man mit dem „schlechten“ Weg vielleicht schneller zu Geld, lebt aber auch gefährlicher, weil alle verfeindet sind. Diese Art der Entscheidung bietet daher auch eine taktische Komponente, die jedoch auch zur Gesellschaftskritik und als Lernmittel genutzt werden kann. Insbesondere clevere Systeme, bei denen es nicht einfach nur um „gut“ und „böse“, sondern Entscheidungen gleich vorteilhaft oder auch tragisch sind, können gut die Vielschichtigkeit des Lebens verdeutlichen. Wie beispielsweise die Entscheidung über das Schicksal eines einzelnen gegen das von vielen.
Betrachten wir auch hier Gamification, ist die moralische Entscheidung die, die wohl am seltensten zum Einsatz kommt. Da Gamification meist nur eine Mechanik ist, die ein größeres Ziel verfolgt und nicht ein Unterhaltungsmedium (wie reine Spiele) ist. Hier fehlt an Tiefe, für eine solche Art der Entscheidung.
Die richtige Wahl geben
Doch was ist nun die richtige Entscheidungsart für Gamification. Langfristige Entscheidungen mit Einfluss beschäftigen den Nutzer für eine Weile und können leicht Stress oder Frustration erzeugen. Hier ist es entscheiden, sowohl genügend Informationen zum Abwägen der Entscheidung bereitzustellen, als auch die Auswahl zu begrenzen. Hat man eine zu große Auswahl, muss man sich zu viele Informationen einholen, um alle Einflussfaktoren abwägen zu können. Zudem können Entscheidungshilfen eingesetzt werden, die offensichtlich die schlechtere Wahl sind und daher schnell ausgeschlossen werden können. Hier sollte man jedoch aufpassen, dass es nicht zu plump wirkt oder eine Entscheidung nur aus Entscheidungshilfen besteht und es eigentlich nur eine Antwort gibt. Dann handelt es sich, nämlich um keine echte Entscheidung.
Impulsive Entscheidungen fallen leichter und können daher öfter spontan getroffen werden. Sie helfen auch, Entscheidungen mit Einfluss abzuwägen. Solange die Entscheidung nach dem Impuls, keine langfristigen Konsequenzen hat, ist es auch sehr befriedigend für den Nutzer, wenn er seinem Impuls folgen kann.
Moralische Entscheidungen kommen für Gamification in den meisten Fällen nicht infrage.
Fazit
„Konsequenzen sollten den Erwartungen entsprechen“

Hier noch ein vertiefender Lesetipp.