Don’t make me think!: Web Usability: Das intuitive Web

Cover Buch Don't Make Me Think

Cover Buch Don't Make Me ThinkIch bin vorbelastet. Im Jahr 2000 habe ich die erste Auflage von Steve Krugs Buch Don’t make me think in die Hände bekommen und war sofort begeistert.

Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es mein Leben verändert hat. Dieses Buch war mit schuld, dass ich meine Arbeitsweise entscheidend geändert habe und Usability eines der Themen geworden ist, die mir am wichtigsten sind.

Nun ist gerade die dritte deutsche Auflage dieses Werks erschienen – das auch auf Deutsch den Titel Don’t make me think trägt.

Wer sollte das lesen?

Das Buch ist nichts für UX-Profils. Denn die lernen hier wenig Neues.

Es ist für UX-Profis aber trotzdem hoch interessant. Denn dieses Buch kann Menschen überzeugen. Es kann sie überzeugen, dass Usability ein zentrales Element für jede Anwendung ist, besonders für Websites.

Es kann zeigen, mit welchen Methoden man arbeitet, um die Usability einer Site zu sichern. Dabei liegt der zentrale Fokus auf Usability-Tests. Weitere Methoden bleiben weitgehend außen vor.

Steve Krug zeigt ebenso unterhaltsam wie für jeden leicht nachvollziehbar, was typische Probleme von Websites sind. Von verwirrender Informations-Architektur über unstrukturiertes Design und versteckter Navigation bis hin zu schlecht geschriebenen Texten.

Dabei ist der Autor stets verständnisvoll und humorvoll. Niemals erhebt er sich über andere oder macht Sites wegen ihrer mangelhaften Usability nieder.

Das alles macht das Buch zu einem idealen Geschenk. Zu einem Geschenk für Auftraggeber, die noch an das Thema herangeführt werden müssen. Für Grafiker und Programmierer, die man sensibilisieren möchte und denen man nahebringen möchte, was man als UX-Profi so tut. Oder für den eigenen Chef.

Worum geht es?

Im ersten und wichtigsten Abschnitt des Buchs erklärt Krug auf knapp 40 Seiten, wie wir Menschen mit technischen Geräten umgehen. Dass wir Texte nicht lesen, sondern überfliegen. Dass wir uns mit der ersten Option zufriedengeben, die einigermaßen passen zu scheint. Dass wir Dinge manchmal übersehen, obwohl wenn sie scheinbar auffällig gestaltet sind.

Im zweiten Teil des Buches stellt der Autor die wichtigsten Grundsätze benutzbarer Sites vor. Immer mit praktischen Beispielen illustriert.

Es folgen zwei Kapitel zur Umsetzung im Projekt – sehr hilfreich finde ich vor allem die Tipps, wie man überflüssige und ermüdende Diskussionen über Gestaltung und Funktionen im Team vermeidet.
Den Cartoon dazu habe ich schon oft gesehen, aber ich muss trotzdem jedes Mal über ihn lachen, weil er so treffend ist.

Auf den letzten fünfzig Seiten des Buchs schließlich geht es um die Besonderheiten mobiler Sites, um Barrierefreiheit und darum, wie man andere von der Wichtigkeit der Usability überzeugt.

Krug plädiert dafür, möglichst häufig möglichst einfache Tests zu machen. Er meint:

Testen funktioniert immer. Selbst mit dem schlechtesten Test mit dem falschen Benutzer finden Sie etwas heraus, wodurch Sie Ihre Site besser machen können.

Manche UX-Consultants sind damit nicht so glücklich, weil sie darauf hinweisen, wie wichtig passende Rekrutierung der Teilnehmer von Tests ist. Und dass nicht jeder gute Tests durchführen kann.
Die Guerilla-Methoden, die Krug propagiert, haben durchaus ihre Probleme. Aber wenn man die Alternative hat, gar keine Tests zu machen oder eben solche Guerilla-Tests, dann wird wohl jeder zustimmen, dass Krug’s Empfehlungen die richtigen sind. Und mehr will Krug auch gar nicht erreichen – er selbst lebt ja auch davon, dass er als UX-Profi beauftragt wird.

Was ist neu in der 3. Auflage?

Neu in der dritten Auflage sind die Kapitel über mobile Nutzung, über Barrierefreiheit und ein Abschnitt darüber, was man als UX-Experte nicht tun sollte.

Ansonsten hat Krug Recht, wenn er schreibt, dass sich seit dem Jahr 2000, als die erste Auflage erschien, nichts Wesentliches am Verhalten der Nutzer und an den Prinzipien guter Websites geändert hat.

Fazit

Einer der großen Vorteile des Buchs: Es ist schnell gelesen, denn es ist dünn und es ist flüssig geschrieben. Das ist ein Vorteil, denn so kann jeder, der sich für das Thema interessiert, auf einer langen Zugfahrt oder an zwei, drei Abenden lernen, warum Usability so entscheidend ist und mit welchen Mitteln man sie sicherstellt.

Das Buch ist großzügig vierfarbig illustriert – nicht nur mit Beispielen, sondern an vielen Stellen auch mit Cartoons und Skizzen. An manchen Stellen wirken die Cartoons etwas einfach, meist aber bringen sie den Sachverhalt gut auf den Punkt und lockern schön auf.

Krugs Schreibstil ist leicht verständlich und unterhaltsam. Auf Deutsch wirken manche Witze (die er sich nicht verkneifen kann und die oft in Klammern stehen) etwas aufgesetzt. Die Übersetzung ist meist in Ordnung, aber gerade bei den Witzen und den zugespitzten Formulierungen leistet sie nicht immer die beste Arbeit.

Manchmal gibt es auch echte Übersetzungsfehler:

Warum die meisten Argumente von Webdesign-Teams über Usability Zeitverschwendung sind und wie man sie vermeiden kann.

Ist schwer verständlich. Im Original heißt diese Überschrift:

Why most Web design team arguments about usabilty are a waste of time, and how to avoid them.

Das Englische argument bedeutet in diesem Zusammenhang Streit, nicht Argument. Das hätte auch einem Lektor auffallen können.

Aber dennoch: Don’t make me think ist ein wunderbares Buch und man kann es nur jedem empfehlen, der bisher noch wenig Kontakt mit dem Thema Usability hatte.

Portraitfoto: Jens Jacobsen

Jens Jacobsen

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