Ein neuer Trend: AAL – SmartHome für Senioren

EIne Person tippt auf die Tastatur eines Laptops.

Motiviert durch den demographischen Wandel, eine verlängerte Lebensdauer und dem Wunsch der Senioren nach selbstständigem Wohnen hat sich der Bereich AAL (Ambient Assisted Living) aufgetan. AAL beschäftigt sich wie SmartHome mit dem Thema der Automatisierung im eigenen Zuhause, ist jedoch an der immer wachsenden Zielgruppe der Senioren orientiert.
Im folgenden Blogeintrag möchte ich einen ersten Überblick über die Thematik und das breite Angebot an Produkten geben. In einem zweiten Teil des Beitrags beschäftige ich mich damit, was die Senioren selbst dazu denken und wo die Herausforderungen und Chancen für Nutzer und UX-Experten liegen.

Ein Tag mit AAL

Sobald Martha Weber (Anmerkung der Redaktion: fiktiver Name) morgens aus dem Bett steigt, beginnt die Kaffeemaschine und der Wasserkocher zu brodeln, die Lichter zum Bad gehen gedimmt an. Trotz des Winters ist es morgens mollig warm, denn die Heizung heizt schon seit einer halben Stunde. Mit einem Druck auf die Taste neben der Küchentür gehen alle Rollläden hoch und die Lichter – je nach Tageszeit – aus. Martha stellt die Pfanne auf den Herd, schaltet ihn an und will die Eier aus dem Kühlschrank holen. Doch scheinbar hat sie vergessen, sie aus dem Keller hoch zu holen. Sie macht sich also auf, in den Keller zu gehen. Da sie wegen der Kellertreppe etwas länger für den Weg braucht, schaltet der Herd automatisch wieder ab, denn der Bewegungssensor in der Küche hat einige Zeit keine Bewegung mehr wahrgenommen. Als Martha wieder aus dem Keller kommt, stolpert sie über die letzte Stufe und stürzt. Sie rappelt sich schnell wieder auf und in diesem Moment läutet das Telefon. Es ist ihre Tochter, die eine Nachricht ihres Sturzes auf ihr Smartphone bekommen hat. Zwar hat sie auch die Information, dass ihre Mutter gleich wieder aufgestanden ist, aber sie wollte sich trotzdem erkundigen, ob alles in Ordnung sei. Sie wohnt nur eine Autostunde weg, doch um mehrmals täglich vorbei zu kommen, ist es zu weit. Deshalb ist sie froh trotz der Entfernung immer zu wissen, ob es ihrer Mutter gut geht. Nach dem Frühstück beschließt Martha ein bisschen an die frische Luft zu gehen. Während sie gedankenversunken spaziert, bemerkt sie plötzlich, dass sie eine falsche Abzweigung genommen und die Orientierung verloren hat. Mit einem Tippen auf ihre Armbanduhr sieht sie, dass sie die nächste rechts abbiegen muss, um wieder auf den Weg nach Hause zu kommen. Die Smartwatch könnte sogar einen Notruf absetzen und wahlweise ihre Tochter oder gleich den Krankenwagen anrufen. Doch auf dem Nachhauseweg erinnert sie Martha nur daran, dass sie heute noch ihre Tabletten nehmen sollte.

Was ist AAL (Ambient Assisted Living)?

Abb. 1: Verschiedene Bereiche von AAL-Produkten. (Quelle: www.dke.de)

SmartHome ist in aller Munde und die Befürworter sprechen von finanziellen Einsparungen durch automatisch regulierte Heizungen, von mehr Sicherheit durch Kameraüberwachung und von mehr Komfort durch Sprachassistenten und automatische Rollläden.
AAL beschäftigt sich mit dem gleichen Thema der Automatisierung im eigenen Zuhause, ist jedoch an der immer wachsenden Zielgruppe der Senioren orientiert, die alleine leben wollen, aber durch körperliche oder kognitive Einschränkungen eher Hilfe brauchen könnten.
AAL steht für Ambient Assisted Living oder Alltagstaugliche (oder Altersgerechte) Assistenzlösungen. Es umfasst wie in Abbildung 1 zu sehen die Bereiche Energiemanagement, Entertainment & Kommunikation, Gesundheit, Gebäudesicherheit und generelle Hausautomatisation und Komfort.

Der Unterschied zwischen AAL und SmartHome

Der Unterschied zwischen SmartHome und AAL ist fließend, vor allem, wenn man davon ausgeht, dass nicht nur alte Menschen unterstützt werden müssen. Durch eine Krankheit oder eine OP können auch jüngere Menschen auf Unterstützung angewiesen sein. Generell kann man aber sagen, dass SmartHome betont, welche technischen Raffinessen zur Verfügung stehen, während bei AAL der Fokus auf der Einfachheit der Bedienung und einer altersentsprechenden Lösung liegt. Die Unterstützung wird genau da angeboten, wo Schwächen, wie eingeschränkte Mobilität, schlechte Sicht, schlechte Erreichbarkeit oder Vergesslichkeit bestehen.

Mit einem Beispiel erklärt, würde eine SmartHome Lösung dem Nutzer erlauben, per Tablet jede Jalousie im Haus einzeln graduell an die Lichtverhältnisse anzupassen. In einer AAL-Lösung hingegen würden dafür maximal zwei vorkonfigurierte und auf die Wohnung angepasste Zustände, sogenannte Szenen, angeboten werden. Mit einem Knopfdruck (oder sogar ganz ohne Zutun des Nutzers) würde dann beispielsweise die Szene „Abend“ aktiviert werden, die die Jalousien nach unten fährt, das Licht im jeweiligen Raum anmacht und die Türen verriegelt.

Warum AAL immer wichtiger wird

Der demographische Wandel in Deutschland ist unaufhaltbar und wird in ein paar Jahren seinen Peak erreichen, wenn die Baby-Boom-Generation in das Rentenalter kommt. 2008 waren vier Millionen Menschen 80 Jahren alt oder älter. Bis 2020 wird diese Zahl um 2 Millionen ansteigen. Verbunden mit der steigenden Lebensdauer besteht also ein politisches und wirtschaftliches Interesse, die alternde Bevölkerung so zu versorgen, dass sie möglichst lange selbstständig wohnen können. Pflegekräfte und auch die Angehörigen können so entlastet werden und den Senioren kann der Wunsch nach Selbstständigkeit erfüllt werden. Denn bei einer Studie, bei der 1500 Senioren befragt wurden, gaben 98 % an, dass sie gerne so lange wie möglich selbstständig zu Hause leben würden. 30 % davon wünschen sich jedoch Unterstützung in Form von sozialem Umfeld oder technischen Geräten.

Abb. 2: Ein Beispiel, wie AAL-Produkte im eigenen Zuhause eingesetzt werden könnten.

Die Bandbreite der AAL-Produkte

Abb.3: SensFloor ist ein Belag, der unter jeden normalen Fußbodenbelag verlegt werden kann und so u.a. die Anzahl an Personen, ihre Bewegungsrichtung und Stürze erkennt.

Das reichhaltige Angebot kennt (fast) keine Grenzen und reicht von einfachen Gadgets für 10 Euro bis hin zu größeren baulichen Maßnahmen für um die 1000 Euro (beispielsweise wie in Abb. 2). Im Folgenden soll ein kleiner beispielhafter Ausschnitt der riesigen Produktpalette vorgestellt werden.
Im Bereich Energiemanagement werden eine Fülle an Sensoren angeboten, die die gesamte Elektrik im Haus regulieren. So gibt es Heizungsschaltungen, die mit Drucksensoren in der Matratze verknüpft sind und die Raumtemperatur nach unten regulieren, sobald das Bett belegt ist. Elektronische Geräte können automatisch abgeschaltet werden, wenn keine Bewegung im Raum wahrgenommen wird oder der „ich-gehe-außer-Haus“-Knopf neben der Tür gedrückt wurde.
Kommunikation und sozialer Kontakt werden mittels vereinfachter Videotelefonie oder Smartphones mit extra großen Tasten wieder gestärkt.

Neben einfachen Bewegungsmeldern für Außen und Innen werden smarte Fußböden angeboten, die Stürze, einen unsicheren Gang oder Verwirrtheit erkennen und Alarm schlagen (s. Abb. 3).

Komplexe Kettenschaltungen können anhand des Wasserverbrauchs lernen, wie ein „normaler“ Tagesablauf aussieht und Abweichungen davon erkennen, analysieren und ggf. Angehörige oder den Notruf alarmieren. Notfalltaster an den Wänden, als Armband oder Kette können wahlweise sofort einen Notruf absetzen, oder Angehörige informieren.
Armbanduhren unterstützen, indem sie Vitalwerte in regelmäßigen Abständen messen und direkt an den Hausarzt übermitteln. Auf verschiedene Uhrzeiten programmierte Pillendosen erinnern mit einem Alarm an die Medikamenteneinnahme (s. Abb. 4).

Abb. 4: Pillendose mit Alarm von Sysi. Ein Alarm erinnert zu eingespeicherten Zeiten an die Medikamenteneinnahme.

Gerade für Demenzkranke oder Alzheimerpatienten wurden Sensoren entwickelt, die Alarm schlagen, wenn die Person beispielsweise nachts aufsteht und beginnt herum zu laufen (s. Abb. 5).
Helle Leuchtstreifen am Boden weisen bei Dunkelheit den Weg zum Bad und zurück.
Beim Abtrocknen nach dem Duschen helfen sogenannte Körpertrockner; WC-Duschen ermöglichen es, die Intimhygiene so lange wie möglich selbst zu übernehmen.

Abb. 5: SafeWander Sensoren, die an die Kleidung von Senioren angebracht werden können. Sie informieren per Smartphone über deren Aktivität.

Mit automatischer Türöffnung über Fernbedienungen oder Fingerabdruck kann die angeforderte Hilfe hereingelassen werden, ohne aufstehen zu müssen.
Höhenverstellbare Arbeitsflächen und Oberschränke erleichtern das Arbeiten in der Küche und lassen die Nutzer ohne Probleme die obersten Regale erreichen (s. Abb. 6).


Neben Unterstützungen in der eigenen Wohnung, gibt es auch Produkte, die die Hör- und Sichtüberwachung des Seniors durch einen Angehörigen möglich machen. Eine Art Babyphon wird dabei um eine 180° Kamera und ein Mikrofon zur zwei-Wege-Kommunikation ergänzt. Wenn die Kamera Bewegungen wahrnimmt, kann sie Fotos oder Videos an das Smartphone senden oder im Falle eines Einbruchs eine Sirene ertönen lassen (s. Abb. 7).

Abb. 7: Full-HD-Kamera mitNachtsichtfunktion, 90 dB Sirene, Alarmmeldung in Echtzeit, Foto und Video bei Bewegungsdetektion von somfy.

Was sind die Vorteile der AAL Produkte, was die Herausforderungen, die sie mit sich bringen? Auf was müssen UX-Experten achten? Warum sind die AAL-Produkte nicht schon weiterverbreitet? Und was denkt überhaupt die Zielgruppe über diesen Trend? Mehr dazu in Teil 2.

Haben Sie schon Erfahrungen im Umgang mit AAL-Produkten sammeln können? Oder kennen Sie jemanden in Ihrem Umfeld?
Wir interessieren uns für Ihre positiven und negativen Erfahrungsberichte! Ich freue mich auf Ihre Kommentare oder schicken Sie mir eine E-Mail.

Hier noch eine schöne Zusammenfassung, was AAL alles bietet:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

4 Kommentare

  • Hermann GABRIEL

    Mich interessiert, welche preisgünstigen Lösungen bereits käuflich erwerbbar sind, konkret: wenig oder kein WLAN (ich schalte es nachts ab), möglichst keine Notrufknopf erforderlich, Bewegungserfassung in der Wohnung (möglichst Sturzsensor und „Bett-Aufstehsensor“, aber abschaltbar), Verlassen und Rückkehr der/zur Wohnung (variabel schaltbar), Registrierung von Rauchmeldersignalen, Erweiterungsmöglichkeiten (z. B. Tabletteneinnahmeerinnerung); telefonische Benachrichtigung mit Verständigung einiger Partner (mit Quittung – also AB-Verhinderung).
    Günstig wäre, wenn beim Verlassen der Wohnung ein Sturzsensor mit GPS wirksam wird. Er sollte Verständigungsmöglichkeiten bieten. Das Grundsystem müsste Erinnern, das Zusatzsystem mitzunehmen, ggf. auch an mehr (Schlüssel mit? Herd und Licht aus?)
    Erbitte Angebote

    • Guten Tag Herr Gabriel,
      vielen Dank für Ihren Kommentar zu unserem Artikel „SmartHome für Senioren“.
      Allerdings sind wir kein Elektronik-Händler, bitte schauen Sie sich nochmals im Internet nach einem endsprechenden Händler um.
      Mit freundlichen Grüßen
      Ihr Redaktionsteam

  • Sehr toller Beitrag!
    Die TU Braunschweig hat ein Projekt dazu: „Die Zukunftswohnung – AAL Wohnungen in Forschung und Praxis“

  • Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert