Return on Investment (ROI) von UX: Berechnung und Beispiele

Man sitzt am Tisch und sieht sich Daten und Grafiken an seinem Laptop und Smartphone an.

In einer digitalisierten Welt, in der Produkte und Dienstleistungen ständig weiterentwickelt werden, ist die Einbindung von Nutzenden in den Entwicklungsprozess längst nicht mehr nur ein nettes Extra, sondern ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Unternehmens. UX Manager, UX Leader und UX Professionals setzen sich seit Jahren für die Nutzereinbindung ein, doch stoßen mit rein wortfokussierten Argumentationsketten an Grenzen. Der Grund: Die C-Level Ebene in Unternehmen interessiert sich vorrangig für Zahlen und Geldsummen. Bezogen auf UX interessiert das Geld, das durch eine UX-Maßnahme (z.B. Research) erwirtschaftet wird. Und das ist legitim, denn die größten Aufgaben der C-Level Ebene / des Managements ist die Erhöhung der Einnahmen, Senkung der Kosten, Steigerung des Neugeschäfts/Marktanteils, Steigerung des Umsatzes mit bestehenden Kunden und Steigerung des Shareholder Values1. Fehlinvestitionen können hier das Boot ins Wanken bringen. Die Aufgabe von UX-Managern, UX-Leadern und UX-Professionals ist es also, dem Management und anderen entscheidenden Stakeholdern aufzuzeigen, dass Investitionen in UX-Maßnahmen kein zusätzliches Geld kosten, sondern Wert schaffen, der die Kosten übersteigt und damit die Management-Ziele unterstützen. Doch wie misst man den tatsächlichen Wert von UX-Maßnahmen?

Messung des Return on Investment von User Experience

Der Return on Investment (ROI), auch „Kapitalrendite“ genannt, ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Bewertung der Rentabilität einer Investition oder zum Vergleich der Rentabilität verschiedener Investitionen. Zur Berechnung des ROI wird der Nutzen (Wert) einer Investition durch die Gesamtkosten einer Investition geteilt. Anschließend wird mit 100 multipliziert, um im Ergebnis auf Prozent (%) zu kommen3.

ROI-Formel: ROI= (Investitionswert-Investitionskosten/Investitionskosten)x100
1. Abbildung: ROI-Formel | eresult

Für die Parameter „Investitionswert“ und „Investitionskosten“ sollten Geldsummen verwendet werden. Vermieden werden sollten Berechnungen des ROI von z.B. „Benutzerzufriedenheit“, „Kundenloyalität“ oder „Zeitersparnis“, da diese sich schwer in monetären Wert umwandeln lassen. Das Ergebnis des ROI ist eine Prozentzahl, die positiv, neutral (0) oder negativ ausfallen kann. Je höher die Prozentzahl, desto mehr lohnt sich die Investition. Fällt die Prozentzahl negativ aus, lohnt sich die Investition nicht, bzw. die Kosten übersteigen den Wert.

Beispiel eines positiven ROI:

Stellen Sie sich vor, Sie sind UX Professional und arbeiten an einem Online-Shop für Möbel. Sie haben in Interviews mit der Zielgruppe herausgefunden, dass sich die Zielgruppe eine Funktion wünscht, mit der Fotos eines Möbelstücks hochgeladen werden können und ähnliche Möbelstücke, die im Online-Shop verfügbar sind, vorgeschlagen werden.

Das Projekt (Zielgruppeninterviews, Projektmanagement und technische Umsetzung) kostet geschätzt insgesamt 20.000€. Aus den Interviews entnehmen Sie die Schätzung, dass durch die neue Funktion im Monat 100 neue Kund*innen mit einem durchschnittlichen Warenkorbwert von 300€ gewonnen werden können. Der Return on Investment wäre in diesem Fall folgendermaßen:

ROI = (100*300 – 20000 / 20000) * 100 = 50%

Die positive Prozentzahl von 50% besagt, dass der Wert der Investition die Kosten der Investition übersteigt. Beachten Sie bei diesem Beispiel, dass sich die 50% auf einen Monat beziehen. Auf ein ganzes Jahr gerechnet steigt der Return on Investment, da die Zeit, Wert zu generieren, länger ist.

Binden Sie Nutzende früh in den Entwicklungsprozess ein!

Wir als UX-Dienstleister erleben es häufig, dass wir erst spät in den Entwicklungsprozess eingebunden werden. Wir finden uns in der Situation wieder, in der wir eine Software o.ä. evaluieren, die auf Basis falscher Annahmen gebaut wurde. Erkenntnisse, die dann in einem Usability Test hervorkommen, sind teuer zu beheben. Im folgenden Beispiel möchte ich dieses Problem in die Zahlenwelt übersetzen:

Gehen wir davon aus, eine Entwicklerstunde kostet 30€ und eine UX-Stunde kostet 21€ (entnommen von Gehalt.de) Dies wirkt sich auf spätere Änderungen nach der Veröffentlichung aus und führt zu deutlich höheren Kosten3. Während Änderungen im Prototypenstadium etwa sechs Stunden Entwicklungsarbeit kosten (UX-Designer*in: 4 Stunden = 84€ und Entwickler*in: 2 Stunden = 60€), kann für spätere Änderungen im Betrieb sogar ein kompletter Sprint notwendig sein (UX-Designer*in: 2 Tage = 336€, Entwickler*in: 7 Tage = 1680€). Im direkten Vergleich also 144€ im Prototypenstadium vs. 2016€ im Echtbetrieb.

 Änderung am PrototypÄnderung am Livesystem
Kosten UX-Designer*in84€336€
Kosten Entwickler*in60€1680€
Kosten insgesamt144€2016€

Nehmen wir an, dass die Online-Shop Funktion von vorhin mit Prototypen und frühem Nutzerfeedback entwickelt wurde. Unter diesem Vorgehen kamen die Kosten von 20.000€ zustande. Stellen Sie sich vor, die neue Funktion wäre direkt implementiert worden und müsste nachträglich nochmal angepasst werden. Laut unserer Berechnung (siehe Tabelle) steigen die Kosten in diesem Fall auf 22.016€. Das ergibt einen neuen ROI von (100*300 – 21.267 / 22.016) * 100 = 40%. Aufgrund der suboptimalen Vorgehensweise (zu früh ohne Nutzerfeedback zu entwickeln) reduziert sich der ROI um 10% (40% statt 50%).

Dieses Beispiel soll zeigen, dass durch das richtige Vorgehen Kosten eingespart werden können: Der ROI einer UX-Maßnahme ist nicht nur vom Wert der Investition abhängig, sondern auch von den Kosten, die durch das Vorgehen nach ISO 9241-210 „Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher Systeme“ (frühe Einbeziehung von Nutzenden) reduziert werden können.

Mythen über den ROI von UX

  1. „Die Berechnung des ROI von UX muss exakt sein4“. Bei der Berechnung des ROI von UX hilft es, sich immer in Gedanken zu rufen, warum man es tut. Der ROI von UX ist dafür da, den Geschäftswert von UX-Maßnahmen herauszustellen und mit Zahlen zu argumentieren (die Sprache des Managements zu sprechen). Der ROI von UX ist nicht dafür da, eine Vorhersage zu tätigen oder dem Controlling Umsatzzahlen zu liefern. Es geht um eine andere Art der Argumentation, bei der die Zahlen nicht exakt stimmen müssen, sondern eine Richtung vorgeben sollen. Sie sollten sich trotzdem auf Rückfragen wie „Woher stammen diese Zahlen?“ oder „Wer sagt mir, dass die Zahlen so stimmen?“ vorbereiten2. Meine Empfehlung: Setzen Sie sich eine zeitliche Deadline für die Berechnung des ROI von z.B. drei Stunden. Berechnen Sie den ROI einer UX-Maßnahme in den drei Stunden so exakt wie möglich, aber nur so exakt wie nötig.
  2. „Der ROI von UX muss jedes Detail berücksichtigen4. Der ROI von UX sollte dem Management ein Gefühl dafür geben, ob sich eine UX-Investition lohnt oder nicht. Der ROI muss dabei nicht alle Details berücksichtigen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen für ein Design System argumentieren. Es reicht aus, sich ein exemplarisches Projekt herauszusuchen und anhand einer beispielhaften UI-Komponente zu errechnen, wie viel Zeit es kostet, diese in jedem Projekt immer wieder neu zu gestalten. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, indem Sie dies für jede UI-Komponente tun. Für die Argumentation mittels des ROI reicht die Schätzung eines Falles, welche dann mit der Anzahl der Projekte und UI-Komponenten multipliziert wird.
  3. „Es geht nur um Geld4“. Im Kapitel zur Berechnung des ROI schrieb ich davon, dass Geldsummen für die Berechnung des ROI von UX genutzt werden sollten. Für die Berechnung des ROI eignen sich Parameter wie „Kundenzufriedenheit“ oder „Kundenloyalität“ nicht, da wir sie nicht in ein Verhältnis setzen und nur schwer in monetäre Mittel umrechnen können. Wir sollten trotzdem beachten, dass UX-Arbeit nicht immer gut in Zahlen messbar ist, sondern sich insbesondere auch in der Loyalität und Zufriedenheit der Nutzer zeigt. Unternehmen, die in UX investieren, positionieren sich für langfristigen Erfolg und Wettbewerbsvorteil. Diese Argumente sollten neben dem ROI nicht vernachlässigt werden. Sie ergeben in Summe eine Mischung aus quantitativer und qualitativer Argumentation und ebnen den Weg für mehr Budget im Bereich der User Experience Forschung.

Key Takeaways

  • UX-Forschung ist wichtig. Wenn sie richtig (nach dem User Centered Design Prozess) durchgeführt wird, kann sie Ihnen helfen, Kosten und Zeit zu sparen.
  • Der ROI zeigt auf, in welchem Maße sich eine UX-Maßnahme rentiert. Hierbei wird ein Verhältnis zwischen dem Wert und den Kosten einer UX-Maßnahme gebildet:
    ROI = (Investitionswert – Investitionskosten) / Investitionskosten * 100.
  • Denken Sie daran, dass ROI-Berechnungen keine Vorhersage, sondern eine Schätzung sind. Investieren Sie nicht zu viel Zeit für unnötig exakte Berechnungen.
  • Zeigen Sie neben dem ROI von UX-Maßnahmen auch deren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit / und Loyalität auf. Die Kombination aus quantitativer und qualitativer Argumentation wirkt überzeugend.

Eine hervorragende Möglichkeit, Ihre Kenntnisse im Bereich ROI von UX zu vertiefen, bietet die CPUX-M Weiterbildung. Dieser Kurs konzentriert sich auf die Aspekte von UX und HCD-Management und vermittelt Ihnen die notwendigen Fähigkeiten, um in der UX-Branche erfolgreich zu sein. Wenn Sie daran interessiert sind, Ihre Karriere und Ihr Wissen auf das nächste Level zu heben, besuchen Sie unsere Webseite und melden sich zu einer unseren nächsten CPUX-M Weiterbildungen an. Wir freuen uns auf Sie!

Quellen

1https://jmspool.medium.com/the-need-to-think-and-talk-like-an-executive-5c6b121e9315

2https://uxqb.org/public/documents/CPUX-M_DE_Curriculum.pdf

3https://www.centigrade.de/en/blog/ux-design-return-on-invest-roi/

4https://www.nngroup.com/articles/three-myths-roi-ux/

Bildquellen

Titelbild: Joshua Mayo | Unsplash
1. Abbildung: eresult

Portraitfoto: Friedemann Dohse

Friedemann Dohse

User Experience Consultant

eresult GmbH

Bisher veröffentlichte Beiträge: 6

3 Kommentare

  • Der Artikel zum ROI von UX spricht mir aus der Seele. Als jemand, der selbst als UX-Designer*in arbeitet, habe ich oft erlebt, wie wichtig es ist, Nutzende früh in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Die Beispiele zur Kostenersparnis bei richtiger Vorgehensweise sind äußerst überzeugend. Es ist erfrischend zu sehen, dass der ROI nicht nur auf Geld reduziert wird, sondern auch die Kundenzufriedenheit und -loyalität berücksichtigt. Die Betonung der Kombination aus quantitativer und qualitativer Argumentation ist entscheidend. Ein gelungener Artikel, der die Realität der UX-Arbeit gut widerspiegelt.

  • Vielen Dank für den hilfreichen Artikel. Ich bin neu in der Branche und dieser Artikel hilft mir weiter, einen Einblick zu bekommen. Ich werde natürlich noch mehr Hilfe benötigen und freue mich, dass ich deinen Blog gefunden habe. Ich wünsche einen guten Rutsch in das neue (hoffentlich erfolgreiche) Jahr. Beste Grüße Klaus

  • Das ist so ein wichtiges Thema!

    Ich bin immer wieder erstaunt, dass der ROI oft nicht einmal im Online-Marketing berücksichtigt wird. Und hier ist es ja noch besonders naheliegend und einfacher als bei der UX.

    Besonders interessant finde ich die praktischen Beispiele, die zeigen, wie UX-Maßnahmen den Unternehmenserfolg beeinflussen können.

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