Omnichannel Experience: Teil 3 – Wie sieht ein effektives Omnichannel-Erlebnis aus und was müssen wir aus UX-Sicht beachten?

Online Abholstation bei Mediamarkt

Ein inspirierendes und nahtloses Omnichannel-Erlebnis ist der Traum vieler Unternehmen, die ihre Kund*innen über verschiedene Kanäle hinweg begeistern möchten. Im ersten Teil] meiner Blogbeitragsserie zum Thema Omnichannel Experience haben wir uns mit dem aktuellen Status Quo der deutschen Omnichannel-Landschaft beschäftigt. Das Fazit: Der deutsche Einzelhandel hat noch einen weiten Weg vor sich, um genau dieses Ziel zu erreichen. Die Herausforderungen und Schwierigkeiten, mit denen Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Omnichannel-Strategie konfrontiert sind, haben wir im zweiten Teil beleuchtet. Ebenso haben wir einen Blick auf die Chancen geworfen, die sich aus einer optimierten Strategie ergeben. Eine vielversprechende Möglichkeit, um die Experience für die Konsumenten kanalübergreifend zu verbessern, bieten vor allem digitale Instore-Technologien in Verbindung mit der Smartphone-Nutzung und dem mobilen Internet. Diese Kombi ermöglicht es den Unternehmen, auch am POS tiefgreifende Einblicke in die Customer Journey ihrer Kund*innen zu erhalten. Mit den gewonnenen Erkenntnissen kann die Experience verbessert und damit auch die Kundenloyalität erhöht werden, was schlussendlich auch zu mehr Umsatz führt. Ganz nebenbei schafft die Digitalisierung im Store auch ein personalisiertes, bequemes und effizientes Einkaufserlebnis für die Konsumenten.

In diesem Teil werden wir uns nun genauer ansehen, wie ein effektives Omnichannel-Erlebnis aussehen kann und was wir aus UX-Sicht dabei beachten sollten.

Omnichannel Experience – Der Selbstversuch

Bevor wir hier eine Empfehlung für eine effektive Omnichannel Experience geben, wollen wir das Ganze doch erst einmal selbst testen. Also habe ich mir den Drogeriemarkt DM rausgepickt und eine Online-Bestellung mit Express-Abholung im Laden durchgeführt.

Anhand der folgenden Darstellungen wird meine Customer Journey in verkürzter Form dargestellt. Obwohl nicht alle Schritte hier im Detail gezeigt werden können, vermitteln die aufgezeigten Emotionen doch ein ziemlich konkretes Bild:

Darstellung Schritt 1 bis 3 der online Bestellung und Abholung bei DM
Quelle: eresult | DM-App
  1. Beim Online-Kauf meiner Produkte wird mir auf der Artikelübersichtsseite direkt die Online-Verfügbarkeit der Produkte aufgezeigt. Zusätzlich kann ich hier auch die aktuelle Verfügbarkeit der jeweiligen Artikel in einer Filiale in meiner Nähe prüfen. Das sieht doch schon mal vielversprechend aus!
  2. Bei aktivierter Standort-Übermittlung werden mir gleich drei Stores in meiner Nähe vorgeschlagen sowie die jeweilige Anzahl der dort vorrätigen Produkte.
    Ich kann mich also für meinen Lieblingsstore entscheiden und bekomme weitere Details aufgezeigt, wie z.B. die Adresse, Öffnungszeiten und sogar eine Route. Auch die gewünschte Express-Abholung wird mir in meinem favorisierten Markt angeboten. Besser kann es kaum laufen! Ich entscheide mich also für den Kanalwechsel und möchte meine Produkte gerne selbst abholen.
  3. Nachdem die Produkte im Warenkorb landen, werde ich auch hier noch einmal auf die Express-Abholung aufmerksam gemacht. Über das Info-i wird mir kurz und knapp in vier Schritten aufgezeigt, wie das Ganze abläuft. Ich weiß also genau, was mich erwartet.
Darstellung Schritt 4 bis 6 der online Bestellung und Abholung bei DM
Quelle: eresult | DM-App
  1. Vor Kaufabschluss wird mir noch einmal die Abholadresse und der frühestmögliche Abholzeitpunkt in der Bestellübersicht angegeben. Auch nach meiner Bestellung erhalte ich eine übersichtliche Darstellung, was als nächstes passiert. Ich bin weiterhin zufrieden!
  2. Wie angekündigt, erhalte ich im nächsten Schritt meine Bestellbestätigung per E-Mail.
  3. Am nächsten Morgen bekomme ich bereits eine Stunde nach Ladenöffnungszeit meine Abholbestätigung. Auch hier finde ich alle relevanten Details (Anschrift, Öffnungszeiten und Route) zum Store und kann mich direkt auf den Weg machen. Bis hierhin läuft also alles wunderbar!
Darstellung Schritt 7 bis 11 der online Bestellung und Abholung bei DM
Quelle: eresult | DM-App
  1. Im DM-Store angekommen dann die Ernüchterung! Hier gibt es leider keine Hinweise mehr, was denn eigentlich zu tun ist. Ich gehe also erst einmal zur Kasse. Um dort hinzugelangen, muss ich jedoch durch den ganzen DM – unter anderem auch an meinen 3 ausgewählten Produkten vorbei. Meine Laune sinkt schon ein wenig…
  2. Dann heißt es erstmal Warten im Kassenbereich. Das hatte ich mir tatsächlich anders vorgestellt…
  3. Bei der Kassiererin angekommen, frage ich nach der Express-Abholung. Diese kennt sich damit jedoch leider nicht aus und muss eine weitere Mitarbeiterin rufen.
  4. Nach ein paar Minuten kommt die neue Mitarbeiterin, muss allerdings noch einmal weg, um einen Schlüssel zu besorgen. Ich frage mich langsam, ob die Express-Abholung wirklich eine gute Idee war…
  5. Nach erneutem Warten vor dem Kassenbereich wird die bestellte Ware dann endlich aus dem verschlossenen Kommodenschrank im Kassenbereich geholt und mir übergeben. Nach der ganzen Warterei ist nun leider auch meine Laune am Ende. Schlussendlich wäre ich schneller an meine Produkte gekommen, wenn ich sie einfach selbst im Laden gekauft hätte.

Wie mein Selbstversuch deutlich zeigt, ist der Übergang der Kanäle der kritische Punkt, an dem meine Zufriedenheit – und damit auch meine gesamte Experience – sich ungemein verschlechtert. Bei der Online-Bestellung verlief noch alles super und im Store angekommen dann die große Enttäuschung. An und für sich mag die Express-Abholung ein super Service sein – aber auch nur dann, wenn sie nicht länger dauert als ein normaler Kauf im Store, also eben einen wirklichen Vorteil bietet. Ob ich den Express-Service hier noch einmal nutzen werde? Aktuell unwahrscheinlich.

Wie geht das besser?

Mir stellt sich damit die Frage, was macht denn MediaMarkt anders, so dass das Unternehmen in der GOES-Studie 20221 als deutsches Paradebeispiel für eine gelungene Omnichannel-Strategie gekürt wurde. Also habe ich auch das getestet und hier die gleiche Express-Abholung durchgeführt. Im Folgenden wird auch hier meine verkürzte Customer Journey aufgezeigt:

Darstellung Schritt 1 bis 3 der online Bestellung und Abholung bei Media Markt
Quelle: eresult | Media Markt
  1. Auch bei MediaMarkt bekomme ich ca. 30 Minuten nach meiner Online-Bestellung meine Abholbestätigung mit QR-Code per E-Mail bzw. in der App. Auch hier gibt es die Adresse und eine Routenoption. Zudem wird mir noch die Frage beantwortet, was ich für die Abholung brauche – den Abholcode und einen gültigen Ausweis. So weit, so gut!
  2. Also mache ich mich direkt auf den Weg. Schon am Eingang des Stores werde ich fast erschlagen von der deutlichen Beschilderung, wo ich meine Online-Bestellung abholen kann. Ich bin also guter Dinge und folge den Anweisungen…
  3. Ohne auch nur einen Fuß in den Verkaufsbereich zu setzen, werde ich direkt zum separaten Click & Collect Bereich geführt. Der Mitarbeiter scannt meinen QR-Code für die Abholung und mein bestelltes Produkt wird mir innerhalb von Sekunden übergeben. Ich kann den Laden direkt wieder verlassen – ohne Warten und damit auch ohne Frust!

Und auch hier noch einmal die entscheidende Abschlussfrage an mich selbst, ob ich den Express-Service bei MediaMarkt in Zukunft noch einmal nutzen werde? Mit Sicherheit! Der Service bietet mir Vorteile, die eine alleinige Online-Bestellung oder der Kauf im Laden nicht bieten kann. Ich komme schnell an meine gewünschten Produkte, ohne auf eine Lieferung zu warten oder lange im Store umherzuirren. Zudem ist der gesamte Ablauf reibungslos und selbst bei den Kanalübergängen gibt es keine Unterbrechung. Hier wurde also ganzheitlich gedacht und sich nicht nur auf die Optimierung der einzelnen Kanäle fokussiert.

Was sagt uns das?  

Um ein effektives Omnichannel-Erlebnis zu schaffen, müssen Unternehmen die gesamte Customer Journey ihrer Kund*innen genaustens erforschen – und zwar über die verschiedenen Geräte und Kanäle hinweg. Sie müssen aufhören, nur über individuelle Lösungen für jeden einzelnen Kanal nachzudenken und damit beginnen, Erfahrungen und Erlebnisse über die gesamte Customer Journey hinweg zu entwickeln. Nur so kann es gelingen, die Kund*innen beim Kanalwechsel nicht zu verlieren und ihnen ein nahtloses Einkaufserlebnis zu ermöglichen. Wie anhand meines Selbstversuchs sehr deutlich wird, ist das Silo-Denken beim Omnichannel fatal – Omnichannel kann nur funktionieren, wenn ganzheitlich gedacht wird.

Auch wir als UX Professionals fokussieren uns in unserer Arbeit häufig nur darauf, die Nutzererfahrung einzelner Interaktionen zu bewerten und zu verbessern, aus denen sich die Customer Journey zusammensetzt. Dies ist, wenn man es so nennen will, die Mikroebene. Es gibt jedoch auch eine höhere Makroebene, die insbesondere im Omnichannel an Bedeutung gewinnt. Hier geht es darum, die gesamte Customer Journey der Kundinnen und Kunden zu betrachten und zu optimieren und eine ganzheitliche Perspektive einzunehmen.

Tatsächlich ist dies jedoch gar nichts Neues, wenn wir uns noch einmal an die Definition (DIN EN ISO 9241-210:2010)2 der User Experience erinnern. Die User Experience umfasst demnach die „Wahrnehmung und Reaktion einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren“ und wird weiter spezifiziert: „[…] umfasst sämtliche Emotionen, Vorstellungen, Vorlieben, Wahrnehmungen, physiologischen und psychologischen Reaktionen, Verhaltensweisen und Leistungen, die sich vor, während und nach der Nutzung ergeben.“ sowie „User Experience ist eine Folge des Markenbilds, der Darstellung, Funktionalität, Systemleistung, des interaktiven Verhaltens und der Unterstützungsmöglichkeiten des interaktiven Systems, des psychischen und physischen Zustands des Nutzenden aufgrund seiner Erfahrungen, Einstellungen, Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit sowie des Nutzungskontextes.“.

Eine erfolgreiche Omnichannel Experience zu schaffen, ist also im Grunde nichts anderes, als sich ganzheitlich mit der User Experience auseinanderzusetzen und diese zu optimieren. Das heißt konkret für Unternehmen und UX Professionals: Nicht immer alles separat entwickeln, ausarbeiten, testen oder evaluieren!

Omnichannel steckt hierzulande immer noch in den Startlöchern. Die Umsetzung einer effektiven Omnichannel-Strategie bleibt eine Herausforderung und wird uns wohl auch noch eine Weile begleiten. Doch dies birgt auch eine große Chance: Indem wir von Anfang an eine angemessene Nutzererfahrung schaffen, können wir die Akzeptanz erhöhen und den Omnichannel weiter vorantreiben. Es liegt also an uns, das volle Potenzial auszuschöpfen und den Weg in eine erfolgreiche Omnichannel-Zukunft einzuschlagen.

Was denken Sie? Wie schätzen Sie das ein? Schreiben Sie uns das gerne in die Kommentare.


Quellen

1 Die GOES-Studie steht unter folgendem Link als kompaktes Booklet zum Download zur Verfügung: https://www.thinkwithgoogle.com/intl/de-de/insights/customer-journey/omnichannel-ist-das-new-normal-im-handel/
2DIN EN ISO 9241-210:2010: Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme

Bildquellen

Titelbild: eresult | MediaMarkt-Store
1. Abbildung: eresult | DM-App
2. Abbildung: eresult | DM-App
3. Abbildung: eresult | DM-Store
4. Abbildung: eresult | MediaMarkt-App, MediaMarkt-Store


 

Portraitfoto: Sina Aldejohann

Sina Aldejohann

User Experience Consultant

eresult GmbH

Bisher veröffentlichte Beiträge: 3

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