Crowdsourcing: Wie Tchibo und Starbucks auf neue Ideen kommen

Publikum mit erhobenen Händen.

Wettbewerbe und Portale, auf denen Kunden Ideen einreichen können sind derzeit in aller Munde. Grund genug, sich einmal näher mit dem Thema Crowdsourcing zu beschäftigen.
Designwettbewerbe gibt es sicher schon lange, aber Starbucks, Tchibo und noch einige andere haben etwas vorgemacht, was weit über die Möglichkeit, Ideen einzureichen und zu hoffen, dass die eigene Idee gewinnt hinausgeht. Auf den Crowdsourching-Plattformen finden sich zahlreiche Möglichkeiten des Austauschs der Teilnehmer untereinander. Ideen werden bewertet, kommentiert und weiterentwickelt. Die Teilnehmer können sich vorstellen und miteinander in Kontakt treten. All das trägt sicher, zusammen mit einer Prämie für die besten Ideen dazu bei, dass zahlreiche Entwürfe eingereicht werden.
Zwei Dinge sind mir bei der Beschäftigung mit Crowdsourching-Plattformen besonders aufgefallen:
Bei Starbucks ist an die Plattform, in der Ideen für die Weiterentwicklung der Starbucks-Läden gesammelt  werden der Blog „Ideas in Action“ angeschlossen. In diesem geben Mitarbeiter von Starbucks Feedback zu den eingereichten Ideen. Ideen werden dabei nach ihrem Umsetzungsstatus gegliedert, so dass alle Teilnehmer nachvollziehen können, an welchen Ideen aktuell gearbeitet wird und welche bereits in Kürze umgesetzt werden oder schon realisiert wurden. Ein solches Feedback ist meiner Meinung nach ein wichtiger Aspekt, um die Motivation der Teilnehmer aufrecht zu erhalten, auch wenn es ein großes Maß an Offenheit des Unternehmens erfordert. Eine Erfahrung, die ich im Übrigen auch mit den Teilnehmern von Kundenblogs schon häufiger gemacht habe.

Ein anderer Aspekt ist mir bei Tchibo Ideas aufgefallen.Aufgabe bei Tchibo Ideas

Dort können nicht nur neue Produktideen eingereicht, kommentiert und bewertet werden, sondern auch Aufgaben gestellt werden. Genauer gesagt hat jeder die Möglichkeit, ungelöste Alltagsprobleme zu nennen, beispielsweise „Wie kann man verhindern, dass der Verschluss der Ketchupflasche immer verschmiert?“ Die Aufgaben können wiederum kommentiert und bewertet werden, auch die besten Aufgaben werden prämiert. Ein Aspekt, der meines Erachtens noch einmal klar macht, wie relevant das Erkennen von Problemen und  das Stellen der richtigen Fragen ist. Denn nur, wenn man die Probleme erkannt hat, kann man eine Lösung dafür finden.

Beide Ansätze finde ich sehr interessant und bin schon gespannt auf weitere Anwendungsfälle in der Praxis.

Wie stehen Sie zum Thema Crowdsourching? Sehen Sie diesen Trend wie viele andere eher kritisch, oder entwickelt sich da ein neues Feld der nutzerzentrierten Produktentwicklung,  welches großes Potential hat? Haben Sie vielleicht schon eigene Crowdsourching-Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf Ihre Meinung.

Portraitfoto: Johanna Möller

Johanna Möller

Senior User Experience Consultant

eresult GmbH

Bisher veröffentlichte Beiträge: 2

12 Kommentare

  • Interessant an diesen Methoden ist vor allem die Schaffung einer hohen Identifikation der Beteiligten mit einen Produkt, einer Marke oder einem Unternehmen. Den Usern wird auch das Gefühl vermittelt, sie können erheblichen Einfluss nehmen auf die Produktentwicklung. Werden die Ideen der User tatsächlich umgesetzt, kann dies in der Community gefeiert werden und dies schafft einen noch viel größeren Hype.

    User-centered Product Innovation wird definitiv ein Thema sein für die nächsten Jahre. Eine aktive Beteiligung der Zielgruppe in die F&E Aktivitäten ist auf jeden Fall spannend und kann ganz neue Perspektiven eröffnen. Letztlich sichert man Innovation ohnehin (meist) mit Kundenkliniken ab. Warum also nicht einen Schritt weiter gehen und die potentiellen Kunden schon bei der Generierung von Ideen mit an Bord nehmen…

  • Terscher

    Aus Sicht der Auftraggeber ist Crowdsourcing ein geniales Verfahren, das viel Geld spart. Das Beste daran ist, dass die Ideengeber nicht an einer möglichen Rendite der Innovation beteiligt werden müssen. Für bisherige Dienstleister (z.B. Designer, Entwickler, Berater) ist es das Totenglöckchen. Beim Crowdsourcing gibt es viele Verlierer, aber für Konzerne wie uns ist es die Zukunft.

  • Crowdsourcing hat deshalb großes Potential, weil es Abläufe verschlankt und viele Menschen in einen Entstehungsprozesse und Entscheidungen einbezieht.
    @Terscher: Ich muss Ihnen in diesem Punkt widersprechen, wir betreiben unter http://www.designenlassen.de das größte deutschsprachige Crowdsourcing-Portal für Kreativdienstleistungen und viele Designer nutzen unsere Seite um erfolgreich und auf direktem Weg neue Kunden zu akquirieren.

    Michael Kubens
    Gründer http://www.designenlassen.de

  • Ich sehe auch eine mögliche Gefahr aus Sicht der Dienstleister, wie sie Terscher beschrieben hat und habe dazu einen Lösungsvorschlag:
    Im Grunde genommen gibt es zwei Gruppen, die beim Crowdsourcing im Entwicklungsprozess involviert sind: zum einen die Kunden, die sich zu Wort melden, und zum anderen die „Experten“, die bei den Konzernen sitzen, die Vorschläge der Kunden filtern und weiterentwickeln.

    Meiner Meinung nach sollte allerdings eine dritte Gruppe eingeführt werden, eine Art „Entickelnder Kunde“, d.h. ein engerer Kundenkreis, der gleichzeitig Teil einer festen Entwicklergruppe ist. Damit einher gehen könnte einerseits ein gewisser Mehraufwand auf Kundenseite (z.B. regelmäßige Befragungen oder Events von Seiten des Konzerns), der andererseits durch gewisse Vorzüge z.B. beim Kauf bestimmter Produkte aufgewogen wird.
    Somit wäre einerseits eine noch höhere Kundenbindung erreicht, andererseits wird der Kunde aber auch für seinen Einsatz belohnt.

  • AKO

    Vor- oder Nachteil? Wir wollen es genauer wissen!

    Ein Forschungsprojekt an der TU Chemnitz geht den verschiedensten Crowdsourcing-Projekten sowohl aus Unternehmens- als auch aus Kundenseite auf den Grund.

  • Johanna Möller

    Ich habe auch immer wieder festgestellt, dass viele Kunden mit enorm viel Spaß und engagement bei der Sache sind, wenn es darum geht „ihr Produkt“ zu verbessern. Insofern wäre es sicher für beide Seiten, Kunden und Unternehmen schade, wenn man die Chance der Mitentwicklung von vornherein ablehnen würde.
    Die Herausforderung liegt meines Erachtens darin, faire Modelle zu finden, bei denen auch die Erfinder eine angemessen Gegenwert für ihre Entwicklung bekommen.
    Ein Schritt in diese Richtung ist vielleicht das Vorgehen von BMW, bei dem klare Rückmeldung zu abgelehnten Ideen gegeben wird. Die Entwickler bekommen dann die Möglichkeit, ihre Ideen anderen Firmen anzubieten oder diese selbst zu vermarkten. Aber auch angenommene Ideen müssen natürlich entsprechend entlohnt werden.

    Auch die Idee von Daniel Guse finde ich interessant. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen ja bereits die Kundenblogs, bei denen die Kunden einer Firma durch die Teilnahme die Gelegenheit haben, Ideen einzubringen aber auch vorab Rückmeldung zu Neuentwicklungen zu geben. Eine Möglichkeit, die meist sehr gern angenommen wird.

  • Die Öffnung zum Dialog mit dem Kunden/Nutzer wird für jede Marke unumgänglich und diese Art Plattformen sind ein ideales Instrument. Hier eine Idee in der Richtung für Tageszeitungen:
    http://bit.ly/39MqAx

  • Martin G.

    Viele Ideen der Kunden tragen dazu bei, dass das Unternehmen attraktiver für Kunden wird und somit mehr Umsatz generiert. Welche Konzepte gibt es denn, die Teilnehmer angemessen zu entlohnen?

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    in diesem Zusammenhang unbedingt erwähnen sollten Sie auch die Open Innovation Plattform brainfloor.com. Die Jungs beschäftigen sich primär mit der Entwicklung von innovativen Dienstleistungen und Produkten.
    2300 ideenreiche Mitglieder und beinahe 20.000 abgegebene Ideen sind ein ausgezeichnetes Beispiel fr ausgezeichnete Arbeit.
    Ich selbst habe bereits einige Ideen abgegeben und mir nebenbei bereits einiges verdient.

    Viel Spaß auf brainfloor.com – wir treffen uns dort!
    Alles Gute für 2010
    TeWaKe

  • Für die Generierung der nächsten Produktinnovation halte ich nichts von Crowdsourcing. Warum? Weil in meinen Augen die Kunden nur sehr wenig über die Produktentwicklung wissen; z.B. welche Technologien welche Vorteile haben. Ihnen fehlt die Expertise. Henry Ford brachte diese Sichtweise mit einem Zitat sehr schön zur Geltung: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“

    Was Kunden zum Ausdruck bringen könnten, sind Wünsche und Bedürfnisse. Die Crowdsourcing-Portale, die es bisher gibt, fragen dies allerdings unzureichend ab.

    In Crowdsourcing sehe ich wie Thomas Memmel weniger die Chance wertvolle Produktinnovationen zu gewinnen sondern vielmehr die Gelegenheit Kunden zu begeistern, zu inspirieren und letzendlich zu binden.

  • Johanna Möller

    Dass Crowdsourching als Maßnahme der Kundenbindung attraktiv sein kann, darüber scheint es keine großen Zweifel zu geben.
    Was den direkten Nutzen für das Unternehmen angeht scheint es allerdings unterschiedliche Meinungen zu geben. Ich kann den Einwand von Jana Görs durchaus nachvollziehen. Ich denke aber, dass man von einem Crowdsourching-Projekt einfach nicht unbedingt immer direkt umsetzbare, ausgereifte Ideen erwarten kann. Vieles muss man „zwischen den Zeilen“ der Einsendungen lesen. Ist es nicht auch ein Hinweis auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden, wenn sie, um beim vorher genannten Zitat zu bleiben, schnellere Pferde vorschlagen? An dieser Stelle können dann die Entwickler des Unternehmens einspringen, um mit ihrem Technikwissen zu versuchen, die beste Lösung des Problems zu finden.
    Und nicht zuletzt finde ich genau aus dem Grund, dass das Einfangen der Wünsche und Bedürfnisse so eine zentrale Rolle im Crowdsourching spielen sollte den im Beitrag beschiebenen Ansatz von Tchibo interessant, die Kunden Aufgaben stellen zu lassen. Aus einem ähnlichen Ansatz kann sicher jedes Unternehmen viel lernen.

  • Hallo Johanna,
    so wie Du es beschreibst, wäre es natürlich Ideal. Allerdings hege ich den Verdacht, dass die Crowdsourcing Plattformen keine Wünsche und Bedürfnisse abfragen, sondern eher spontane Gedanken der Kunden.
    Bestes Beispiel liefert uns hier Starbucks: „want somthing new! try this!!So try a new drink, u never no u just might get hooked!: strawberry and cream frap w/toffee nut (1/2 pump for tall and 1 pump for grande or venti)“
    Kann man mit solch einer Idee neue Kunden gewinnen, neue Märkte erobern, revolutionäre Ideen für den Fortschritt der Menschheit entwickeln? Ich finde, dass die Antworten, die ich bisher auf solchen Plattformen gefunden habe, eher Verbesserungen der bisherigen -Produkte sind und keinen revolutionären Charakter haben. Eher bringt der gesamte Plattform-Prozess dem entsprechenden Nutzer Freude und bindet ihn dadurch (für mich der eigentliche Sinn dieser Plattformen). 🙂
    Die zweite Sache ist, dass diese Plattformen unheimlich viel „Arbeit“ produzieren. Nämlich durch die Art und Weise wie gefragt wird. Die Antworten auf die Frage „Welche Ideen habt ihr für uns?“ produziert unglaublich viele verschiedene Arten von Antworten. Das alles zu sortieren und die Diamanten unter den vielen Ideen aufzudecken, ist eine unglaublich schwere Aufgabe.
    In den Workshops, die wir durchführen, binden wir auch Kundenbedürfnisse ein – aber auf eine zielgerichtetere Art und Weise. Die Fragen, die wir dafür benutzen, sind beispielsweise:
    1) Welche Prozesse laufen ab, wenn Du Dir einen Kaffee besorgst?
    * Ich suche eine Starbucks.
    * Ich stehe in der Warteschlange.
    * Ich bestelle meinen Kaffee.
    * Ich warte auf meinen Kaffee.
    * Ich tue Zucker einen Deckel auf meinen to go Kaffee.
    * Ich trinke den Kaffee unterwegs.
    * Ich entsorge den Abfall.

    2) Welcher dieser Prozesse bereitet Dir Schwierigkeiten?
    * (für mich persönlich: alle!) 😉
    * Ich muss aus meiner Tasche das Kleingeld aus dem Portemonnaie kramen. Dabei muss ich meine Tasche in den Dreck auf dem Boden stellen.
    * Ich kann durch die Warteschlange nicht sehen, was es gerade für Snacks im Angebot gibt.
    * Ich weiß nicht wohin mit meiner Tasche, wenn ich versuche mit 10 anderen Personen Zucker in meinen Kaffee zu tun.
    * Wenn ich den Deckel auf den Kaffeebecher tue, überschütte ich mich mit dem frischen Kaffee.
    * Ich finde keinen Abfalleimer.
    * Der Kaffee wird kalt.
    * Ich habe keine Hand frei.
    * …

    3) Warum?
    * Für die meisten Antworten: Es stresst mich.

    4) Was würdest Du Dir wünschen?
    * Eine nicht so aufwendige Methode um zu bezahlen.
    * Ich kann gleich einen Löffel Zucker und Deckel und Strohhalm mitbestellen.
    * Es gibt soetwas wie eine Schlaufe / Halter zum „Festhalten“ des Bechers wenn ich unterwegs bin und keine Hand freie habe.
    * …

    Bei den Antworten auf meine Fragen erhalte ich sofort ein Problem und auch den Nutzen für den der Kunde vielleicht bereit ist mehr Geld zu bezahlen. Natürlich steckt auch bei diesen Antworten Vieles „zwischen“ den Zeilen. Die Antworten sind allerdings 10x hochwertiger und zielgerichteter als die Antworten auf „Welche Ideen hast Du für Starbucks?“

    Na klar sind diese Platformen Empfänger für solche Informationen und ja, es ist für jedes Unternehmen Zentral diese Kundenbedürfnisse zu identifizieren. Crowdsourcing hat es für mich nur noch nicht geschafft diese Bedürfnisse einzufangen.

    Viele Grüße
    Jana

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