„Dos and don´ts“ in Online-Fragebögen. Einige Beispiele aus der Praxis
Auch wenn unser Bild des realen Menschen nicht das eines homo oeconomicus ist, der ausschließlich auf Basis reiner Kosten-Nutzen-Kalkulationen entscheidet, so spielen rationale Entscheidungskriterien noch eine wichtige Rolle. Zu kostbar und beschränkt sind die Ressourcen Zeit, Aufmerksamkeit und kognitive Energie, als dass sie für Aufgaben aufgewendet werden können, von denen kein Mehrwert zu erwarten ist.
Aber warum diese ausschweifende thematische Klammer zu Beginn eines Artikels, dessen Titel einen Bezug zum Thema „Online-Befragungen“ verspricht?
Weil auch die Teilnahme an Online-Umfragen, vor allem die gewissenhafte Teilnahme, hoch mit der Motivationslage und eben diesem Mehrwert korreliert ist, den sich der Teilnehmer von der Investition seiner Ressourcen verspricht. Im Gegensatz zu Tests im Labor, in denen die Testsituation und die Anwesenheit des Versuchsleiters die Konzentration auf den Untersuchungsgegenstand garantiert, antworten die Teilnehmer online isoliert und ohne diese disziplinierende Stütze. Umso größer entsprechend die Gefahr, dass die Konzentration des Teilnehmers im Laufe des Fragebogens nachlässt oder er die Lust verliert. Nur zwei Faktoren, die sich äußerst negativ auf die Qualität der Angaben auswirken und in Teilnahmeabbrüchen enden.
Im Rahmen dieses Artikels sollen einige „dos and don´ts“ bei der Gestaltung von Online-Fragebögen vorgestellt werden, die dazu beitragen, qualitativ hochwertige Daten zu erheben und die Teilnahme im Idealfall zu einem Erlebnis zu machen.
Erfolgsfaktor Fortschrittsbalken
Die Anzeige, wie viel Prozent der Fragen der Teilnehmer bereits beantwortet hat, dient dazu, dem Nutzer das „Licht am Ende des Tunnels“ zu zeigen und gehört inzwischen zur Standardausstattung eines Fragebogens. Würde man die Elemente eines Online-Fragebogens einer KANO-Analyse unterziehen, bin ich mir sicher, dass der Fortschrittsbalken als Basisfaktor wahrgenommen würde: Eine Voraussetzung, die kaum zur Zufriedenheit des Teilnehmers beiträgt, bei der Schwächen und Mängel aber besonders negativ ins Gewicht fallen. Besonders wichtig daher die korrekte Umsetzung. Eine Überziehung der zu Beginn veranschlagten Beantwortungszeit verzeiht der Teilnehmer eher, wenn er Feedback bekommt, dass er dem Ziel näher kommt und sich mit jeder beantworteten Frage ein Erfolgserlebnis in Form von einigen Prozenten auf der Habenseite einstellt.
Erfolgsfaktor Grafische Gestaltung
Auch eine ansprechende optische Gestaltung des Fragebogens kann helfen, den Erlebnisfaktor der Teilnahme zu erhöhen. Die individualisierte Aufbereitung z.B. von Radio-Buttons und Checkboxen wirken hochwertiger und lassen den Fragebogen damit professioneller erscheinen. Bei der Art der Gestaltung ist dabei allerdings auch die Zielgruppe im Auge zu behalten. Was für die Seite eines Spiele-Herstellers funktioniert, mag bei einer Umfrage für einen B2B-Finanzdienstleistungsanbieters fehl am Platz sein.
Erfolgsfaktor Textumfang
Generell gilt, den Umfang von Fragen und Texten so gering wie nur möglich zu halten. Fließtexte intensiv zu lesen sind kognitiv enorm aufwändig, insbesondere am Bildschirm. Viele Teilnehmer schrecken vor diesem Aufwand zurück und brechen besonders häufig auf Seiten mit langen Textabschnitten ab. Daher muss der Textumfang möglichst gering gehalten werden und die Aufbereitung der Texte großzügig und leicht zu verarbeiten sein. Eine elegante Lösung ist neben dem Highlighting von Schlüsselwörtern, Erläuterungen zu ggf. erklärungsbedürftige Begriffe über Icons zu verstecken. Bei Bedarf steht die Info zur Verfügung, der Textumfang ist dennoch reduziert.
Den „Nutzer“ im Blick
Wie bei der Optimierung von Webseiten und Online-Shops gilt auch für die Gestaltung von Online-Fragebögen den (gefühlten) kognitiven Aufwand für den Teilnehmer so gering wie möglich zu halten. Je weniger komplex die Anforderung, umso größer die Chance, dass eine valide Antwort folgt (folgen kann). Auch wenn die Möglichkeiten im Rahmen von Online-Fragebögen beschränkt sind, sollte der Spaß an der Teilnahme nicht zu kurz kommen. Abwechslungsreiche Fragebögen, die beispielsweise drag&drop-Auswahlen erlauben statt die immer gleichen Radiobuttons zu nutzen, sind hier eine Variante. Ergänzend sei an dieser Stelle auf den Artikel von Tobias Karsch verwiesen, der sich in einem etwas anderen Zusammenhang dem Thema Gamification gewidmet hat. Ist dann die Nutzerkontrolle über die Teilnahme noch gegeben, d.h. weiß der Nutzer zu jedem Zeitpunkt, welcher Aufwand noch auf ihn wartet, steht der Erfassung von validen und qualitativ hochwertigen Daten nichts mehr im Wege.
Ich teile Ihre Meinung zur optimalen Darstellung von Online-Fragebögen. Online-Umfragen sollten tatsächlich abwechslungsreich und schön designt sind. Dann aber bitte mit barrierefreien Mitteln!! Ich finde, nichts ist schlimmer, als sich mit der Maus durch einen 30min-Fragebogen zu klicken, in dem man Zeile für Zeile versucht, die kleinen Auswahlelemente zu treffen. Es sollte meiner Meinung nach verstärkt darauf geachtet werden, dass man mit der Tab- und den Pfeiltasten durch die Fragen navigieren kann. Leider ist das viel zu oft nicht möglich, was die Beabeitung des Fragebogens erheblich verlängert. Das liegt häufig daran, dass Flash-Module oder Checkboxes in Form von Icons verwendet werden…
Wichtig sind darüber hinaus natürlich auch eine angemessene Incentivierung und schnelle Ladezeiten.
Hallo Steven,
100% Zustimmung in Bezug auf die Themen Fragebogenlänge, Incentivierung und Ladezeiten! Das mit der Navigation per Tab ist dagegen so eine Sache. Hier lauert natürlich die Gefahr, dass der Teilnehmer seine Kreuzchen schnell über Tastatureingaben setzt, ohne sich wirklich inhaltlich mit der Frage auseinanderzusetzen…
Diese „Durchklicker“ identifizieren wir dann bei der Datenaufbereitung und müssen sie zur Qualitätssicherung aus dem Datensatz entfernen.
Viele Grüße
Florian
Hi Florian,
mir fehlt hier noch der Hinweis, dass auch Umfragen vor dem Veröffentlichen erst getestet werden sollten. Als ich in diesem Artikel Wörter wie „korreliert“ gelesen haben, fiel mir wieder ein, wie wir den UEQ (User Experience Questionnaire) einmal großflächig einsetzen wollten. Nachdem wir uns in der erste Umfrage über die komischen Ergebnisse gewundert hatten, entdeckten wir, dass Wörter wie „konventionell“ und „pragmatisch“ (die in dem UEQ auftauchen) von der Mehrzahl der Teilnehmer (darunter waren auch Leute mit Hochschulabschluss) gar nicht verstanden werden. Nachdem wir diese in einer zweiten Umfrage durch zwar weniger gewählt klingende, aber deutlich einfachere Wörter ersetzt hatten, waren die Ergebnisse viel stimmiger. Hätten wir den UEQ vorher einmal kurz getestet, wäre uns die zweite Umfrage erspart geblieben.
Hi Jan,
das ist natürlich vollkommen richtig und vielen Dank für diese wichtige Ergänzung! Nur wenn die Frage von den Antwortenden korrekt verstanden wird, ist die Erhebung sinnvoller und aussagekräfter Daten für gewährleistet. Aus diesem Grund unterziehen wir alle unsere (Online-)Fragebögen einem Pretest, der sich am Zwei-Phasen-Pretesting nach ZUMA (heute GESIS) orientiert. So lassen sich bereits vor der Datenerhebung Probleme im Fragenverständnis erkennen und sich die von Ihnen geschilderten Effekte auf das Antwortverhalten vermeiden.
Viele Grüße
Florian Thirolf