Remote UX-Testing mit Kindern – Das haben wir daraus gelernt
Remote UX-Testing konnte sich vor der Corona-Pandemie kaum jemand vorstellen. Wie soll das nur funktionieren? Bekommen wir trotzdem die Erkenntnisse, die wir brauchen? Die Zeit hat uns gelehrt: ja, es geht. Sogar sehr gut. Inzwischen sind sowohl die Interviewenden als auch die Teilnehmenden daran gewöhnt und mit den verschiedenen Meeting-Tools vertraut.
Doch wie ist das mit Kindern? Ist dort ein remote UX-Testing auch möglich? Ja, ist es, wenn einige Dinge beachtet werden.
1. Kinder sind eine besondere Zielgruppe
Interviews oder UX-Tests mit Kindern sind per se schon immer etwas Besonderes und das auch bereits vor Ort. In einem Lab kümmert man sich um eine gemütliche und freundliche Umgebung, hat evtl. Spielzeug oder was zum Malen dort und versucht es dem Kind so einfach wie möglich zu machen, sich in der ungewohnten Umgebung wohl zu fühlen. Diese gemütliche und freundliche Umgebung mit Spielzeug lässt sich remote jedoch nicht umsetzen. Dafür ist es umso wichtiger genügend Zeit für das Kennenlernen einzuplanen, sich dem Kind vorzustellen und erstmal ganz entspannt mit dem Kind zu sprechen, bevor der UX-Test startet.
Zu beachten ist auch die Rekrutierung von Kindern für remote UX-Tests. Dabei wird über die Eltern rekrutiert, die einschätzen müssen, ob ihr Kind für den Test und / oder das Thema geeignet ist oder nicht. Der / die Rekrutierende sollte demnach ausführlich gebrieft werden, welche „Kriterien“ das Kind für den UX-Test erfüllen muss. Dies sollte dann auch bei der Terminvereinbarung noch einmal geprüft werden. Grundsätzlich sollte man daher mit einer etwas längeren Rekrutierungszeit rechnen. Wird für den Test mit Überrekrutierung gearbeitet, was sich bei remote Tests eher anbietet als Standby-Personen, sollte in Erwägung gezogen werden, auch die Überrekrutierungen durchzuführen, auch wenn keine Testperson ausgefallen ist. Meistens freuen sich die Kinder sehr neue Dinge ausprobieren zu können, z. B. ein neues Spiel, und diese wären dann sehr enttäuscht, wenn sie den Test nicht machen könnten, weil sie die Überrekrutierung sind.
2. Technikhürden
Zunächst muss die Frage geklärt werden, was der Testgegenstand ist und was benötigt wird, um diesen auch testen zu können.
Bei einem unserer Tests haben wir eine Spiele-App für Kinder ab der 3. Klasse getestet. Diese App musste demnach auf einem Smartphone oder Tablet installiert werden. Da es sich jedoch um keine vollwertige App handelte, konnte diese nicht in einem App-Store heruntergeladen werden, sondern musste als APK oder über TestFlight auf das Gerät der Teilnehmenden gezogen werden. Also alles etwas umständlicher. Durch den Test auf dem Smartphone ergab sich dann noch ein weiteres Problem: bei den Meeting-Tools, die wir nutzen, wurde bei Aktivierung der Bildschirmübertragung das Bild der Teilnehmenden ausgeblendet. Somit wären die Kinder beim Ausprobieren und Spielen mit der App nicht mehr zu sehen gewesen. Da jedoch gerade beim Spielen die Mimik und Gestik von Kindern sehr wichtig ist, war diese für die Bewertung der App essentiell. So haben wir ein zweites Device, Tablet oder Laptop, vor den Kindern aufbauen lassen, um dann über die Kamera die Kinder sehen zu können.
Weiter zu beachten ist:
- Gibt es eine Kindersicherung im Testgerät, die bestimmte Dinge nicht zulässt?
- Kann man den Sperrbildschirm während der Testzeit ausstellen (dies beendet nämlich die Bildschirmübertragung)?
- Ist das Testgerät aufgeladen oder liegt eine Lademöglichkeit griffbereit?
- Welche Anforderungen muss das Device haben, um für den Test gut zu funktionieren?
- Macht das Kind eine Bildschirmübertragung oder übergibt man als interviewende Person die Steuerung über den Testgegenstand?
Während der Corona-Zeit haben wir begonnen vor den remote Tests einen Technikcheck durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. So können wir sichergehen, dass die Technik für den Test auch funktioniert. Bei Tests mit Kindern ist dies wichtig, um den erziehungsberechtigten Personen etwas zum Test zu erzählen und Fragen zu beantworten.
3. Testaufgaben und Durchführung
Empfehlenswert bei UX-Tests mit Kindern ist, sie erstmal erkunden zu lassen und zu beobachten, was sie sich anschauen. Die Thinking-Aloud Methode funktioniert je nach Altersstufe und Kind unterschiedlich. Manche Kinder können das Gesehene und ihre Gedanken gut artikulieren, anderen fällt dies etwas schwerer. Dort ist dann Feingefühl gefragt, um dem Kind nicht das Gefühl zu vermitteln etwas falsch oder ungenügend erledigt zu haben. Die Testaufgaben sollten daher einfach und verständlich gestellt und auch mit den leichtesten Aufgaben begonnen werden, sodass die Kinder Erfolgserlebnisse im UX-Test haben. Anschließend können dann die anspruchsvolleren Aufgaben gestellt werden. Zu beachten ist außerdem, dass Kinder ihre Gefühle und evtl. auch Motivation nicht so gut steuern können und ggf. den UX-Test nicht beenden wollen, weil sie keine Lust mehr haben oder es ihnen zu viel oder zu anstrengend wird. Auch dies kam bei uns schon vor (meistens 5-10 Minuten vor Ende des Tests). Wir haben dann noch eine kleine abschließende Bewertung bekommen, wenn möglich, uns für die Unterstützung bedankt und das Kind gelobt und dann den Test beendet. Passiert dies zu Beginn des Tests, wäre es möglich dies mit einer kleinen Pause aufzufangen und dann versuchen weiter zu machen. Weigert sich das Kind jedoch komplett weiter zu machen, so muss der UX-Test abgebrochen werden. Auch dann sollte dem Kind weiterhin vermittelt werden, dass es toll geholfen hat und es mit einem guten Gefühl aus dem Termin zu entlassen.
Allgemein sollte für den UX-Test darauf geachtet werden, dass die Länge des Tests dem Alter angemessen ist, da auch die Aufmerksamkeitsspanne je nach Alter variieren kann. 45 Minuten für den gesamten Termin inkl. Kennenlernen und evtl. eine kleine Pause sollten da erstmal nicht überschritten werden.
Beachtet man bei der Planung von remote UX-Tests diese Learnings, so werden einige mögliche negative Faktoren eliminiert und dem nächsten erfolgreichen remote UX-Test mit Kindern steht (fast) nichts mehr im Wege.
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Beitragsbild: Kelly Sikkema | Unsplash