User Centered Design von Remote-Apps für das Auto (Teil 1: Anforderungsanalyse)

Foto aus einem Innenraum eines Autos , das bei Nacht fährt.

Die Digitalisierung und zunehmende Vernetzung schreitet voran. „Connected Cars“ sind im Kommen und ermöglichen unter anderem die drahtlose Kommunikation zwischen Smartphone und Automobil. Über sogenannte Remote-Apps ist es für den Nutzer möglich, Funktionen des Autos mit dem Smartphone fernzusteuern.

Bei eResult haben wir uns mit der Usability von Remote-Apps beschäftigt. Die Herausforderung bei einer benutzerfreundlichen Gestaltung einer Remote-App liegt darin, dass die gesteuerte Funktion, also z.B. die Klimatisierung des Autos oder die Verriegelung der Türen, bisher über andere Mensch-Maschine-Schnittstellen bedient wurde: über das Anzeige-Bedien-Konzept im Interieur des Fahrzeugs, das bereits etabliert und weit entwickelt ist, oder auch den Fahrzeugschlüssel.

Wie kann man für die neue Interaktionsmöglichkeit mit dem Auto über ein mobiles Endgerät, bei dem teilweise andere Interaktionsprinzipien greifen als bei den oben genannten Interfaces, eine angenehme Nutzungserfahrung ermöglichen?

Vorgehensweise

In einem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigen wir uns mit der Frage, wie eine Remote-App für das Auto gestaltet sein soll, um eine gute Usability und User Experience zu gewährleisten. Das Ziel ist es, die UX für die unterschiedlichen Nutzergruppen von Remote-Apps zu verbessern.

Die erfolgreiche Optimierung eines User-Interfaces / einer UX muss nutzerzentriert erfolgen. Die DIN EN ISO 9241:210 empfiehlt folgenden User Centered Design-Prozess:

Im ersten Schritt müssen die Zielgruppen und ihre Anforderungen analysiert werden.

Wir stellten die Frage: Was wollen die Nutzer? Welche Funktionen würden deutsche Autofahrer gerne per Smartphone steuern? Welche Anforderungen haben Sie an die Gestaltung und den Umfang von Remote-Apps? Diese Informationen sind wichtig, z.B. bei der Entscheidung, welche Funktionen in der App priorisiert dargeboten werden sollten.

Dazu befragten wir N = 698 Personen. Die Teilnehmer nutzten täglich ein Smartphone und mindestens einmal pro Woche ein Auto. Die Alters- und Geschlechterverteilung der Befragten entspricht der Verteilung der Fahrerlaubnisse in Deutschland, wobei über 70-jährige Personen nicht in der Verteilung betrachtet wurden.

Neben demographischen Merkmalen und generellen Gewohnheiten wurden die Teilnehmer dazu befragt, wie interessant die Nutzung einzelner Remote-Dienste (z.B. Verriegelung der Türen oder Klimatisierung des Innenraums) über ein mobiles Endgerät für sie ist. Als Grundlage hierfür diente eine zuvor erstellte Wettbewerbsanalyse, bei der das Angebot an Remote-Diensten von 6 deutschen Autoherstellern betrachtet wurde. Zusätzlich zu den aktuell auf dem Markt verfügbaren Diensten wurden weitere Ideen durch erfahrene eResult Experten generiert und mit aufgenommen.

Technische Aspekte, z.B. bezüglich der Umsetzbarkeit, wurden dabei nicht berücksichtigt.

So wurde ein Ranking von insgesamt 41 unterschiedlichen Remote-Funktionen nach Präferenz der Umfrageteilnehmer erstellt.

Nutzer-Interesse an Remote Funktionen

Betrachtet man alle fast 700 Teilnehmer, so werden die folgenden 5 Funktionen am interessantesten bewertet:

  1. Informationen über den Füllstand von Motoröl, Bremsflüssigkeit und Kühlwasser
  2. Informationen über den Füllstand des Tanks (und/oder des Akkus) und die daraus resultierende Restreichweite
  3. Informationen über den aktuellen Reifendruck
  4. Informationen über den Zustand der Bremsbeläge
  5. Navigationsziele auf dem mobilen Endgerät suchen und direkt an das Auto übertragen

Diese Informationen helfen bei der Entscheidung, welche Funktionen eine App abbilden sollte, und wie prominent einzelne Funktionen angeboten werden sollten.

Für ein benutzerzentriertes Vorgehen müssen wir aber einen Schritt weiterdenken und uns fragen, ob die fast 700 potentiellen und tatsächlichen Nutzer in einen Topf geworfen werden können – oder ob es unterschiedliche Nutzergruppen gibt.

Nutzergruppen

Folglich wurden aus den etwa 700 Fragebogenteilnehmern mit einer Clusteranalyse 4 unterschiedliche Nutzergruppen gebildet. Die Gruppen unterscheiden sich beispielsweise im Ausmaß der Smartphone-Nutzung, im Ausmaß der PKW-Nutzung und der Technikaffinität.
Die vier Nutzergruppen wurden anschließend zu stellvertretenden Personas verdichtet, wobei wir nachfolgend eine Persona im Detail vorstellen wollen.

Persona Yvonne: prinzipiell interessiert, aber unsicher wegen möglichen Bedienschwierigkeiten

Jede der vier Personas hat spezifische Nutzungsgewohnheiten von Autos und mobilen Devices und individuelle Anforderungen und Wünsche an Remote-Apps für das Auto. In Abbildung 2 ist eine Persona (Yvonne) und ihre wichtigsten Eigenschaften abgebildet.

Persona Yvonne

Abb. 1: Persona Yvonne

Yvonne fährt viel Auto, beruflich und privat. Das Auto ist für sie ein Gebrauchsgegenstand, um von einem Ort zum nächsten zu kommen. Smartphone, Tablet und MP3-Player nutzt Yvonne je nach Situation, durch ihre Kinder ist sie technisch auf einem recht aktuellen Stand. So kennt sie schon Remote-Apps, über die sie manchmal den TV steuert. Interesse an Car-Remote-Apps hat sie prinzipiell. Dabei interessieren sie Funktionen, die die Auto-Nutzung erleichtern, beispielsweise der Abruf von Tank- und Ölfüllstand oder der nächsten Servicetermine. Yvonne ist sich unsicher, ob die Nutzung einer solchen Remote-App tatsächlich Mehrwert bietet oder durch Faktoren wie schlechte Usability eher zu Mehraufwand und Frust führt.

Ergänzend zu dieser zusammenfassenden Abbildung haben wir noch weitere (Hintergrund-)Informationen generiert, beispielsweise skizzierte Customer Journey Maps.

Die anderen Personas Karl (65), Cornelia (50) und Ben (35) haben andere Anforderungen an die Gestaltung und den Funktionsumfang von Remote-Apps. Beispielsweise hat eine Persona zwar Interesse, aber hohe Sorgen bezüglich der Datensicherheit, ein/e Andere/r ebenso hohes Interesse wie Yvonne, aber wesentlich spezifischere Wünsche bezüglich des Funktionsumfangs.

Fazit

Der erste Schritt des User Centered Design Prozesses auf dem Weg zu einer benutzerfreundlichen Remote-App für das Auto ist abgeschlossen. Die Nutzer und deren Anforderungen sind analysiert und spezifiziert.

Die Studie zeigt, dass sich potentielle Nutzer von Remote-Apps nicht über einen Kamm scheren lassen. Die vier identifizierten Nutzergruppen/Personas unterscheiden sich in relevanten Aspekten, z.B. in den Anforderungen an den Funktionsumfang und die Gestaltung einer Remote-App.

Auf dem Weg zu einer nutzerzentrierten Remote-App kann nun auf jeden Fall der nächste Schritt gestartet werden. Wir verwenden nun die spezifizierten Nutzer-Anforderungen und steigen damit in den Konzeptionsprozess ein. Wie es mit unserem Projekt weitergeht, erfahren Sie in Teil 2 des Blogbeitrags im Juni.

Falls Sie sich für Details über diese Studie oder die vier Personas interessieren, sprechen Sie uns gerne an.


Wie sind Ihre Nutzungserfahrungen mit Car Remote Apps? Wie würden Sie sich eine solche App wünschen? Ich bin sehr auf Ihre Meinung gespannt!

Portraitfoto: Xaver Bodendörfer

Xaver Bodendörfer

Business Unit Manager / Key Account Manager / Standortleitung München

eresult GmbH - Standort München

Bisher veröffentlichte Beiträge: 6

2 Kommentare

  • Felix Struck

    „Connected Cars“ – früher noch Zukunftsmusik, heute fast schon Realität. Eine sehr spannende Zeit, die uns bevor steht. Vor allem für diejenigen, die sich auch auf sowas einlassen und gewollt sind ihre Autos mit ihren Smartphones zu verbinden. Ich bin noch einer der alten Schule, mein erstes Auto hatte noch nicht mal Zentralverriegelung… mittlerweile habe ich ein eingebautes Navigationssystem und kann mein Smartphone per Bluetooth verbinden. In diesem Video wird erklärt was es alles kann! Im Fazit des Artikel fand ich eine Stelle sehr interessant: „potentielle Nutzer von Remote-Apps nicht über einen Kamm scheren lassen“. Da liegt die Herausforderung, wie solche Remote-Apps massentauglich gemacht werden kann. Jeder hat unterschiedliche Ansprüche und Vorstellungen!

  • Pingback: Car Remote Apps - Altes Eisen oder aktueller denn je? - Usabilityblog.de

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