Car Remote Apps – Altes Eisen oder aktueller denn je?
Das Auto über das Smartphone zehn Minuten vor der Abfahrt schon mal klimatisieren? Oder am Abend vor der Urlaubsreise noch die Restreichweite prüfen und schon einmal einen Tank Stopp einplanen – alles über das Smartphone? Die so geplante Route dann an das Navigationssystem ins Fahrzeug schicken?
Möglicherweise klingt das für Sie wie Zukunftsmusik. Das liegt dann wahrscheinlich daran, dass Sie – genauso wie ich – keine hohe fünfstellige Summe für ein Auto ausgeben oder ausgegeben haben.
Denn tatsächlich sind solche Features bei Herstellern wie BMW, Audi, Mercedes, etc. schon seit Jahren verfügbar.
Wir von eresult haben uns bereits 2016 in einer Beitragsreihe damit beschäftigt, wie solche Apps möglichst benutzerfreundlich gestaltet werden können.
Wozu dann dieser Beitrag?
Die Weiterentwicklung in diesem Bereich erreicht eine rasante Geschwindigkeit – und demgegenüber stehen auch sich stetig ändernde Anforderungen und Bedürfnisse der Nutzer. Also führten wir eine Follow-Up Studie in 2018 durch, um die Frage zu beantworten: Wie gut können aktuelle Remote Apps die Anforderungen der Nutzer erfüllen?
Für die methodisch Interessierten hier ein kurzer Studiensteckbrief. Alle anderen dürfen zum nächsten Abschnitt springen.
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Methode:
Panelumfrage
Stichprobe:
N = 27 (Remote App Nutzer und „bewusste“ nicht-Nutzer = Personen, die entsprechende Apps zwar an Ihrem Fahrzeug nutzen könnten, dies aber nicht tun.)
Teilnehmerstruktur:
Messinstrument:
Interesse an einzelnen Remote Funktionen, 7-stufige Skala
Erkenntnis 1: Viele nutzen Remote Apps bewusst nicht
Genauer gesagt: 2/3 der Teilnehmer haben entsprechende Fahrzeuge und Apps, nutzen diese aber nicht. In eine ähnliche Richtung deuten auch die Bewertungen der Apps in den entsprechenden Stores (Stand 10.2018).
Wie sie sehen: Die Apps werden eher mittelmäßig bewertet. Warum ist dies so?
Erkenntnis 2: Hauptgrund für die Nicht-Nutzung sind Sicherheitsbedenken
Zugegebenermaßen ist diese Erkenntnis a) nicht wirklich neu, und b) sehr gut nachvollziehbar. Etwa 50 Prozent unserer Teilnehmer äußerten die Sorge bezüglich des Datenschutzes bzw. Sicherheitsbedenken. Ich hätte auch ein mulmiges Gefühl, ein 80.000 Euro Auto mit dem Smartphone zu entriegeln… und wie die Presse ja ab und zu berichtet – auch zurecht.
Sehr Interessant sind aber auch die weiteren Gründe, warum Nutzer Remote Apps gezielt nicht nutzen:
Je zirka 20 Prozent der Teilnehmer finden, dass die Remote Apps zu schwer zu bedienen sind, beziehungsweise einen unpassenden Funktionsumfang anbieten.
Erkenntnis 3: Usability-Probleme erschweren Bedienbarkeit
Basierend auf den Ergebnissen der Umfrage haben wir uns ein paar Remote Apps mal angesehen. Und dabei hat es nicht lange gedauert, bis wir die ersten Usability Probleme fanden.
Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele. Die Auswahl dieser beiden Apps erfolgte willkürlich und legt nicht Nahe, dass andere Apps eine bessere oder schlechtere Usability haben:
Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihren Tesla klimatisieren. Sie öffnen die entsprechende App, sehen ein relativ erwartbares Menü im unteren Bereich.
Dort finden Sie erfreulicherweise gleich den Bereich „Climate“. Doch: Leider ist dort der Temperatur-Regler ausgegraut… und nun?
Tatsächlich muss man vorher rechts oben auf den „TURN ON“ Button tappen. Erst dann können Sie die Zieltemperatur einstellen.
Oder Sie sehen auf dem Startscreen Ihrer Audi App, dass Ihr Fahrzeug nicht vollständig verriegelt ist.
„Prüfen Sie, ob Türen oder Klappen offen sind“.
Ist der Zweck einer Remote nicht, dass Sie mir genau das sagen kann? Muss ich als Nutzer jetzt zum Auto gehen und das prüfen? Wozu dann die App?
Tatsächlich ist es eher ein Usability-Problem, denn die relevante Info, dass in diesem Falle die Fahrertür noch offen ist, findet der Nutzer „einfach“ weiter unten, nach ein bisschen Scroll-Arbeit.
Erkenntnis 4: Der angebotene Funktionsumfang entspricht nicht den Nutzerbedürfnissen
Der ADAC veröffentlichte kürzlich eine Studie über den Funktionsumfang diverser Remote-Apps. Dank dieser Grundlage konnten wir das Funktionsangebot der Hersteller 1 zu 1 mit den Anforderungen der Nutzer (gewonnen aus unserer Studie) vergleichen.
Die folgenden zwei Tabellen zeigen, welche Hersteller die fünf am meisten und die fünf am wenigsten gewünschten Funktionen anbieten.
Interessant ist, dass die Top-Features eine ähnliche Verbreitung finden wie die „Flop“-Features (Stand: 08.2018).
GPS Tracking, oder die Navigation der Parkposition bis zum Ziel sind von 5 bzw. 6 Herstellern umgesetzt. Insgesamt sind 4 der 5 Top-Features von nur etwa 50 Prozent der Hersteller implementiert.
Wenig gewünscht sind zbeispielsweise die Bedienung der Hupe und des Fernlichts oder Ladefunktionen (dies ist auf die geringe Verbreitung von E-Fahrzeugen in der Stichprobe zurückzuführen: Selbstverständlich sind Verbrenner-Fahrer nicht an Ladefunktionen interessiert).
Zusammenfassung und Erkenntnis 5: Schwächen und Potential
Basierend auf den App-Store Bewertungen, unserer Studie und der Analyse des ADAC zeigen heutige Remote Apps einige Usability Schwächen und einen nicht genau auf die Bedürfnisse zugeschnittenen Funktionsumfang.
Das Potential von Remote Apps erkennt man aber, wenn der Blick in die Zukunft gerichtet wird. Die entsprechenden Buzzwords kennen Sie: (noch stärker) digitalisiertes, connected Car, Autonomes Fahren, AI und intelligente Persönliche Assistenten (IPA).
In einem Zukunftsszenario sind vielleicht das Fahrzeug, unser Smartphone und das Smarthome miteinander vernetzt und alle über IPA bedienbar. Gelingt es, den Funktionsumfang und die UX der Remote Apps zu optimieren, und gelingt die nahtlose Integration der Remote App im Rahmen dieser Nutzungsszenarien, halte ich Remote Apps für einen essentiellen Bestandteil der zukünftigen User Journey eines Autofahrers.
Wie sehen Sie das? Ich freue mich auf Ihre Kommentare und einen Austausch dazu.