Dark Pattern UX – Die dunkle Seite des UX-Designs

Banner mit dunkelblauen Hintergrund auf dem zwei gezeichnete Hände Figuren, die an Laptops arbeiten, an Pfäden lenken. In der Mitte ist zu lesen Dark Pattern UX.

Jeder von uns kennt es inzwischen zur Genüge: „Nur noch ein Artikel auf Lager!“ oder haben Sie einfach schonmal probiert Ihren Amazon Prime Account zu löschen? Sicher sind auch schon einige der Leser*innen , wie viele andere Internetnutzer+innen vor Ihnen, bereits einem sogenannten Dark Pattern zum Opfer gefallen. Aber warum gibt es Dark Pattern und weshalb sind sie so gefährlich?

Eine Frage des Interesses

Wie erfolgreich ein digitales Produkt oder eine Dienstleistung heutzutage auf dem Markt performt, wird maßgeblich durch die Gebrauchstauglichkeit beeinflusst. Die Entwicklung digitaler Produkte, die sich für den Nutzenden intuitiv bedienen lassen, ist weder trivial noch kostengünstig. Der Blick auf die Gewohnheiten, Verhaltensweisen oder Bedürfnisse bestehender und potenzieller Kundschaft sind dabei von zentraler Bedeutung. Zusätzlich stehen neben der verbesserten Gebrauchstauglichkeit auch insbesondere betriebswirtschaftliche Interessen durch die Stärkung von Kennzahlen, wie Neuregistrierungen und Nutzeranzahlen im Fokus. Daher sollte die nutzerzentrierte Produktentwicklung und -Optimierung des Benutzerschnittstellen-Designs zum Standard erhoben werden. Viele Unternehmen haben bereits erkannt, dass die Arbeit von UX-Forschenden und -Designer*innen ein wichtiger Wachstumstreiber für sie ist. So weit, so bekannt. Das wäre auch eigentlich nicht weiter von Bedeutung, wenn nicht die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer so selten mit denen des Anbieters oder der Anbieterin übereinstimmen würden. Seit Nutzerdaten das wertvollste Gut sind, stellt das Erreichen bestimmter Geschäftsziele einen zentralen Bruch mit den „ach so hochgehaltenen Interessen“ und Bedürfnissen der Nutzer*in dar.

Dark Pattern und wo sie zu finden sind

Um es kurz zu machen: Das sog. Dark Pattern ist die Einflussnahme auf das Verhalten der Nutzer*innen zugunsten der anbietenden Partei. Die Oberflächengestaltung basiert in der Regel auf den Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie und spricht instinktive oder gelernte Verhaltensmuster an. Eben diese Muster werden beim Dark Pattern Design genutzt, um das Verhalten des Nutzenden zu beeinflussen. Dabei werden künstliche Hürden in den Userflow eingewoben indem bspw. Informationen nicht neutral dargestellt oder schlicht vor dem Nutzenden verborgen werden. Die Wirkung der Dark Pattern reicht dabei von vorsichtiger Einflussnahme, über nennenswerte finanzielle Nachteile, bis hin zur erheblich erschwerten Inanspruchnahme der eigenen Rechte als Konsument*in. (Quelle: Verbraucherzentrale.de)

Dark Patterns treten insbesondere im E-Commerce-Bereich auf, stellen inzwischen jedoch ein flächendeckendes Problem dar. Sie sind insbesondere dort anzufinden, wo (Ver)Käufe getätigt, Verträge abgeschlossen oder Nutzerdaten abgegriffen werden können. Ein klassisches Beispiel für ein Dark Pattern wäre die zuletzt verbreiteten Ausgestaltungen der Cookie Consent Tools. Hierbei wird den Nutzer*innen der Button „Alle zulassen“ zumeist deutlich hervorgehoben. Zudem wird als Alternative selten ein Ablehnen-Button oder ein differenziertes Akzeptieren (bspw. nur notwendige Cookies) angeboten oder entsprechende Optionen werden deutlich unscheinbarer dargestellt. Oft gibt es nur die Option über ein Einstellungsfenster eine manuelle Individualisierung vorzunehmen. Zwar ist diese Option nicht grundsätzlich falsch und sollte stets für die Nutzer*innen erreichbar sein, doch wird hier durch diese Verkomplizierung darauf abgezielt, die Scheu, die Faulheit oder den Zeitdruck des Nutzenden für die eigenen Ziele auszunutzen. In der folgenden Abbildung findet sich ein klassisches Beispiel für die verkomplizierte Gestaltung eines Cookie Consent Tools.

Cookie-Fenster auf der Ryan Website zum Schutz der Privatsphäre
Quelle Abb. 1: Ryanair

Ein anderes Beispiel ist das sogenannte „Confirmshaming“. Bei dieser Herangehensweise geht es darum, die jeweiligen Auswahloptionen des Nutzenden so zu formulieren, dass auch nur das Erwägen einer Ablehnung zum Scharmgefühl der Nutzer*innen führt. Typische Formulierungen sind hierbei: „Ich möchte keinen guten Zweck unterstützen“ oder „Ich will mich nicht weiterbilden“. Ein sehr anschauliches Beispiel zeigt die nachfolgende Abbildung: „No thanks, I´m fine losing customers!“

Werbeanzeige von Optinmonster.
Quelle: Optinmonster

Ein weiteres Beispiel eines Dark Pattern mit welchem jeder sicher schon konfrontiert gewesen ist, wäre bspw. der Abbestellbutton bei Newslettern. Spätestens seit die DSGVO (Quelle: IHK.de) in Kraft getreten ist, sollte die Regelung bezüglich dieses Themas eigentlich eindeutig sein: „Die Abbestellung muss genauso einfach sein wie die Bestellung des Newsletters“. Ist eine Bestellung des Newsletters mit zwei Klicks möglich, muss dies auch für die Abbestellung gelten.“ Das sollte eigentlich keinen Raum für Interpretation lassen, will man meinen. Jedoch beweisen unterschiedlichste Anbieter+innen bei Newslettern immer wieder Einfallsreichtum. Anstatt sich mit den verschickten Inhalten und den Gründen für das Deabonnement auseinanderzusetzen, kann man natürlich auch den Button für die Abbestellung im Footer verstecken, ihn farblich mit dem Hintergrund verschwimmen lassen oder ihn in nahezu unerkennbar kleiner Schriftgröße darstellen.

Einflussnahmen mit gesellschaftlichem Beigeschmack

Leider stellen Dark Patterns ein deutlich größeres Problem dar, als es zunächst erscheint. Neben dem persönlichen Ärgernis jedes einzelnen Nutzenden stellt das Dark Pattern auch für das zukünftige, gesellschaftliche Zusammenleben sowie die entsprechenden politischen Entscheidungsträger eine weitreichende Problematik dar. Zum einen liegt dies in dem Schutz der Privatsphäre und der Sicherung des Datenschutzes begründet. Seit Inkrafttreten der DSGVO sind Betreiber*innen bspw. dazu verpflichtet, sich von den Nutzer*innen ein entsprechendes Opt-in für die verwendeten Cookies einzuholen. Hier werden flächendeckend Design-Praktiken verwendet, die es deutlich erschweren, personenbezogene Daten zu schützen. Damit verlieren die entsprechenden Gesetze, welche eigentlich zu unserem Schutz beschlossen wurden, in der Praxis an Wirkung.

Was also tun?

Sollte zukünftig der Einsatz problematischer Design-Praktiken verhindert werden? Ja, natürlich! Doch wird dieses Ziel nicht über Nacht erreicht. Zunächst müssen Unternehmen die Interessen und Rechte von Verbraucher*innen deutlich stärker berücksichtigen. Und das nicht nur aus Fairness. Ähnlich wie ein Fairtrade- oder Biosiegel erst über die Jahre und durch die breite Aufmerksamkeit für den Nachhaltigkeitskontext an Bedeutung gewinnen mussten, könnten fair gestaltete Angebote zukünftig ein wichtiger Aspekt sein, um auch die jüngeren, zunehmend technikgetriebene Generationen auf einem gesättigten Markt für das eigene Angebot zu begeistern. Damit ließe sich also leicht auch ein wirtschaftliches Interesse an lauteren Praktiken formulieren.

Zudem können auch politische Entscheidungsträger*innen hierauf Einfluss nehmen. Gesetzliche Rahmenbedingungen existieren zumeist schon, allerdings wird bisher nur selten versucht, diese auf Dark Patterns anzuwenden. Um den Ball ins Rollen zu bringen, könnten bspw. Datenschutz-, Verbraucherschutz- und Wettbewerbsbehörden prüfen, wie sich Präzedenzfälle schaffen lassen und das Problembewusstsein geschärft, sowie die Aufmerksamkeit für das Thema erhöht werden kann. Somit ließe sich gleichzeitig auch die Grundlage für die Gesetzesentwürfe von morgen im digitalen Raum schaffen.

Von zentraler Bedeutung ist jedoch, dass sich neben den Nutzenden auch die Anbieter mit den Problematiken auseinandersetzen und sich ihrer großen Verantwortung bewusst machen. Mit Dark Patterns lassen sich vielleicht kurzfristig Ziele erreichen, doch unterstützen sie nicht die langfristige Bindung zum Nutzenden. Ganz im Gegenteil. Stattdessen könnten Unternehmen das Verständnis dafür entwickeln, dass auch die Art der digitalen Interaktion einen wichtigen Beitrag zur Markenwahrnehmung und Kundenbindung leistet. Also Aspekte für die im Marketing viel Geld und Zeit investiert wird.

Vielleicht können wir in Zukunft gemeinsam erreichen, dass der Begriff des nutzerzentrierten Designs nicht nur die Nutzerbedürfnisse einschließt, sondern auch ihre Rechte und Interessen zum Kern der Überlegungen machen. Natürlich ist uns bewusst, dass nicht immer alles ad hoc umsetzbar ist und auch wir selbst arbeiten immer wieder daran uns in dieser Hinsicht weiter zu verbessern. Schlussendlich liegt es in der Hand eines jeden Anbietenden, wie dem Nutzenden begegnet werden soll.

Bildquellen

Titelbild: vecteezy.com
Abbildung 1: Ryanair
Abbildung 2: Optinmonster

Portraitfoto: Lasse Robers

Lasse Robers

Junior User Experience Consultant

eresult GmbH

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Ein Kommentar

  • Ohja, von diesen Dark Patterns gibt es jede Menge. Künstliche Verknappung („Nur noch wenige Artikel auf Lager“), vorgaukeln eines großen allgemeinen Interesses („in den letzten 24h haben sich über 800 Menschen dieses Produkt angesehen!“) oder auch das Setzen von künstlcihen Deadlines („Dieses Angebot gilt nur noch für 2h und 14 Min!“) udn wie sie sonst noch so heißen. Ich finde das eine absolute Schweinerei, die eigenen User so zu manipulieren. Entweder mein PRodukt verkauft sich, oder eben nicht, aber Lügen und Manipulieren geht mMn zu weit.

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