Experience Sampling – eine Alternative zum klassischen Fragebogen?

Schwarzweiß Foto von Marianna_Obrist

Interview mit Wissenschaftlerin Dr. Marianna Obrist, HCI & Usability Unit, ICT&S Center der Universität Salzburg

Dr. Marianna Obrist ist Assistant Professor für Human-Computer Interaction & Usability an der Universität Salzburg, ICT&S Center – Center for Advanced Studies and Research in Information and Communication Technologies & Society.
Ihr Forschungsschwerpunkt sind User-Centered Design, Usability and User Experience Forschung, Design und Evaluierungsmethoden mit aktiver Einbeziehung der Nutzer in den Design- und Entwicklungsprozess von neuen Produkten und interaktiven Systemen.

  • Was tun, wenn Nutzer einen Fragebogen als überflüssigen Zeitaufwand empfinden?
  • Wie erfasst man User Experience, wenn Nutzer sich nicht mehr an ihre Erlebnisse erinnern?

An der Universität Salzburg setzt man auf Methoden wie das Experience Sampling.

Ein Nutzer schreibt ein sms, ein anderes Mal hört er Musik am Mobilgerät.
Für den Forscher ist es natürlich praktisch, wenn er alles in einem Fragebogen abfragen kann. Für den Nutzer nicht, denn er erlebt die Services ja zu ganz unterschiedlichen Zeiten.

Eine der Herausforderungen in der Human-Computer Interaction ist die Verwendung geeigneter Methoden. Die Experience Sampling Methode (ESM) wird von uns immer häufiger eingesetzt, um User Experience zu untersuchen. ESM ermöglicht das Sammeln von Nutzerfeedback und Erlebnissen genau in dem Moment, in dem eine gewisse Aktion vom Nutzer gemacht wird (event-getriggert) oder zu festgelegten Zeitpunkten (time-getriggert), ohne dass ein Forscher anwesend ist. Im Wesentlichen bekommt der Nutzer im Rahmen einer längeren meist mehrwöchigen Studie mehrmals am Tag ein Fragesample bestehend aus drei oder vier Fragen, die schnell und einfach beantwortet werden können.

Sie haben für Blackberry das Emotional Attachment der Nutzer zu ihren Mobilgeräten untersucht. Wie haben Sie Experience Sampling da eingesetzt?

Wir haben dem Nutzer in gewissen Zeitabständen – also time-getriggert – ein kurzes Fragensample aufs Handy geschickt: z. B. „Wo befinden Sie sich gerade? Würden Sie Ihr Mobilgerät in diesem Kontext vermissen? Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Mobilgerät in diesem Kontext?“ etc. Mittels dieser Methode haben wir in einer ersten Studie das Nutzungsverhalten über mehrere Wochen analysiert. In einer Folgestudie haben wir dann neue Services dem Nutzer zur Verfügung gestellt und jedesmal bei deren Verwendung – also event-getriggert – ein Fragesample geschickt, um die Nutzererlebnisse abzufragen.

Wie waren die Antwortmöglichkeiten gestaltet?

Es gab einfache Ja/Nein-Fragen, Auswahlfragen, Bewertungsfragen wie „Stimme sehr zu bis gar nicht zu“ oder Smiley-Skalen. Direkt eine Antwort einzutippen haben wir nicht verwendet, da es für den Nutzer wieder ein Mehraufwand ist. Da die Fragen mehrmals täglich oder immer dann wenn eine Aktion stattfindet, getriggert werden, muss man den Aufwand beim Nutzer gering halten.

Heikel ist sicher, wie viele Fragen auf einmal man aufs Handy schickt?

Ein Fragesample bestand aus ungefähr drei oder vier Fragen, die vom Nutzer schnell beantwortet werden können. Zudem wird eine maximale Anzahl von Samples pro Tag festgelegt, sowie die Fragesamples variiert, sodass nicht immer die gleichen Fragen kommen. Die Definition der Fragen, die Festlegung der Häufigkeiten für die Fragesamples und deren Variationen erfordert eine genaue Planung und Vorbereitung. ESM wird auch noch mit anderen Methoden wie einem persönlichen Interview kombiniert, um die Interpretation der gesammelten Daten zu erleichtern.

Sie haben Nutzer eine IPTV Plattform, also Fernsehen über das Internet, bewerten lassen. Wie haben Sie das gemacht?

Die Leute haben es als praktisch empfunden, weil sie es bequem zu Hause im Wohnzimmer machen konnten. Sie haben uns in den Abschlussinterviews gesagt: „Das kann ich gleich direkt machen und muss nicht extra einen Fragebogen ausfüllen. Und wenn ich gerade nicht will, kann ich es einfach wegklicken.“

Wie ist das Experience Sampling bei den Testpersonen angekommen?

Die Frage ist direkt am Fernsehbildschirm erschienen – event-getriggert – und die Nutzer konnten mit der Fernbedienung darauf antworten, einfach mit der OK-Auswahltaste oder hinauf – hinunter auswählen. Wiederum wurden einfache Antwortmöglichkeiten, wie z.B. Ja/Nein oder Skalen verwendet.

Was sind die Schwierigkeiten beim Experience Sampling?

Abgesehen von der richtigen Festlegung der Fragen und Variationen sind technische Aspekte extrem kritisch. Beispielsweise muss die Implementierung der event-Trigger – wann soll ein Fragesample geschickt werden – genau definiert werden. Der Nutzer soll die Frage nicht gleich am Anfang erhalten, wenn er ein Feature nutzt oder mitten im Schauen eines Videos unterbrochen werden. Daher sind technische und inhaltliche Pre-Tests im Vorfeld einer Feldstudie sehr wichtig.

Portraitfoto: Ingrid Ottinger

Ingrid Ottinger

Usability Consultant

Freiberuflerin

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