Wie Sie die Zielgruppe in die Konzeption einbeziehen können – und warum das so wichtig ist

Ein Team sitzt mit PCs und Schreibutensilien an einem großen Tisch.

Oft heißt es ja: Gutes Design ist keine Demokratie. Und innovative Konzepte wurden auch noch nie von den Nutzern entwickelt. Die wollen ja eh immer, dass alles beim Alten bleibt.
Aus diesen und ähnlichen Gründen wird in der Konzeptionsphase von Anwendungen oftmals darauf verzichtet, das Feedback der Zielgruppe einzuholen. Dabei ist es gerade in dieser Phase wichtig, sich eng an den Nutzern und deren Anforderungen zu orientieren. Denn schließlich muss die Zielgruppe ja später mit dem Produkt wie z. B. der Website oder der Software arbeiten.
Die Frage ist also: Wie kann ich die Nutzer in den Konzeptionsprozess mit einbeziehen und (trotzdem) innovative Konzepte schaffen?

Im User Centered Design wird häufig klassisch in vier Phasen unterschieden: Anforderungsanalyse, Konzeption, Design und Implementierung. Bereits in der Anforderungsanalyse sollten z. B. über Panelbefragungen oder Fokusgruppen wichtige Merkmale und Anforderungen der Zielgruppe erhoben werden. Diese bilden eine wertvolle Grundlage für Entscheidungsprozesse im Rahmen der Konzeption.
In der Konzeptionsphase kommen dann aber häufig noch Detailfragen auf, die sich nicht unbedingt rein aus den Daten der Anforderungsanalyse beantworten lassen. Und: Je spezieller die Zielgruppe, desto mehr Fragen können hier zwischenzeitlich auftreten. Denken Sie z. B. an spezielle Firmensoftware, die z. B. von Mitarbeitern aus dem Einkauf oder der Buchhaltung genutzt wird. Oder an eine mobile Anwendung, die sich speziell an Geschäftsreisende richtet. Hier ergeben sich oft Fragen wie:

  • Würde Funktionalität XY überhaupt genutzt werden?
  • Welche Funktionalitäten sind für den Nutzungskontext am wichtigsten? Welche Abläufe finden am häufigsten statt?
  • Welche Möglichkeiten zur Individualisierung werden gewünscht?
  • … und so weiter

Erst, wenn Sie die Antworten auf diese Fragen kennen, kann das Konzept der Anwendung im Detail geplant werden.

Also: Nutzer schon während der Konzeption einbeziehen – aber wie?
Häufig kommt es während der Konzeption darauf an, möglichst schnell eine Rückmeldung zu erhalten, wenn es z. B. um Entscheidungen zwischen verschiedenen Varianten oder die Priorität von Funktionalitäten geht. Folgende Methoden bieten daher bereits während der Konzeption eine gute Möglichkeit, die Nutzer mit einzubeziehen:

  • Kunden- oder Zielgruppenblogs: Hier können Sie jederzeit Feedback zu Entwürfen oder bestimmten Fragestellungen einholen – die Zielgruppe kann jeweils unmittelbar reagieren. Natürlich handelt es sich hierbei eher um eine qualitative Methode – dennoch lassen sich auch hieraus bereits wesentliche Erkenntnisse ableiten (z. B. zu bestimmten Varianten oder der Relevanz von Funktionalitäten).
  • Fokusgruppen: Auch hier können Sie mit Vertretern der Zielgruppe bereits während der Konzeption verschiedene Fragestellungen diskutieren. Idealerweise sollten solche Diskussionsrunden im Rahmen der Konzeption direkt eingeplant werden (z. B. in zwei Phasen zu Beginn und in der Mitte).
  • Zielgruppenbefragungen: Diese eignen als „alleinstehende“ Methode, aber auch, um Erkenntnisse aus einem Blog oder einer Fokusgruppen noch weiter zu verdichten. Auch hier gilt, wie für die Fokusgruppen auch – dass eine solche Befragung bestenfalls direkt in die Konzeptionsphase mit eingeplant werden sollte.

Und wozu das Ganze?
In allen vorgestellten Methoden soll es nicht darum gehen, konkrete Lösungs- oder Designvorschläge von den Nutzern abzufragen. Vielmehr kann so aber frühzeitig erfasst werden …

  • … ob Konzepte und Ideen ganz grundsätzlich die Bedürfnisse der Nutzer widerspiegeln
  • … ob die Anforderungen im Vordergrund stehen, die für die Nutzer die wichtigsten sind
  • … ob es ggf. Problemstellungen seitens der Nutzer gibt, die vom Designer bisher gar nicht beachtet wurden.

Richtig interpretiert können die so gewonnenen Informationen dann die Grundlage für innovative Konzepte liefern, die den Erwartungen der Nutzer entsprechen und hinsichtlich der User Experience optimal gestaltet sind. Mit anderen Worten: Es kommt auf die optimale Kombination von Nutzer-Input und Expertenwissen an.

Aber: Kein Ersatz für Testing!
Das so entstandene Konzept sollte vor der Umsetzung immer noch einmal in einem Klickdummytest beurteilt werden. Wurden mit den o.g. Methoden bereits während der Konzeption hinreichend viele Nutzer einbezogen, so kann der Fokus des Tests auf der Handhabung und weiteren Detailoptimierungen liegen.

Wie beziehen Sie die Nutzer während der Konzeption in den Gestaltungsprozess mit ein? Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Ich freue mich auf eine spannende Diskussion!

Portraitfoto: Andrea Struckmeier

Andrea Struckmeier

User Experience Consultant

Alumni-eresult GmbH

Bisher veröffentlichte Beiträge: 8

4 Kommentare

  • Interessanter Beitrag! Ich entwickle selbst User Interfaces und Software für Chirurgen, die leider immer sehr stark in den Klinikalltag involviert sind. Die Anforderungen und Wünsche von Ärzten zu verstehen, ist oft nicht einfach, da für persönliche Gespräche meist nur wenig Zeit ist oder Meetings durch Anrufe unterbrochen werden. Dennoch ist dies eine sehr interessante Zielgruppe, wo es sich lohnt, die User früh in Design- und Konzeptentscheidungen zu integrieren. Haben Sie mit dieser speziellen Anwendergruppe Erfahrungen gemacht und evtl. ein Geheimrezept, wie man mit dieser Klientel umgeht?

  • Der Nutzer, Konsument muß immer im Zentrum jeder Online Aktivität stehen.
    Denn nur das was dem Nutzer nützt ist auch nützlich – anders wird niemals ein Schuh daraus mit dem der Kunde ein Stück oder auch länger mit dem Service, dem Produkt oder auch der Dienstleistung ein Stück seines Weges, mit all seinen BEdürfnissen, Wünschen, Vorstellungen, Vorlieben und Abneigungen gehen möchte.
    Hier zu für den interessierten Leser ein weiterführender Artikel:
    http://ux4dotcom.blogspot.de/2010/08/walk-while-in-someone-elses-shoes.html

  • Danke für den interessanten Beitrag! Ich verfolge gerade die Strategie der vollkommenen Transparenz beim Aufbau meiner Online-Dating Platform. Ich beschreibe jeden Schritt sowohl was Konzeption, als auch Design und Entwicklung anbelangt in meinem Blog http://webgert.blogspot.de/. Dabei wird jeder Schritt durch Feedback der User und durch Polls im Blog evaluiert. Natürlich ersetzt dies keine klassischen Methoden des User-Testings, aber es gibt einen guten Anhaltspunkt was ankommt und was nicht.

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