Customer Journey, User Experience, Maps und der umfassende Blick auf den Nutzer

Zwei Damen sitzen vor Laptops mit Animationen.

Jede erfolgreiche Site dreht sich ganz um den Nutzer. Daher haben wir UX-Experten eine ganze Werkzeugkiste voller Methoden, die Nutzer besser kennenzulernen. Eine, von der man in letzter Zeit immer wieder liest, ist die Customer Journey Map.

Aber warum kommt diese so selten zum Einsatz? Und was bringt sie überhaupt?

Im Folgenden stelle ich Ihnen kurz vor, was Customer Journey Maps eigentlich sind, welche Vor- und Nachteile sie haben und wie man sie sinnvoll im Projekt einsetzt.

Was ist die Customer Journey? Und was die Customer Experience?

Ich bin kein Freund von Berater-Sprache, aber um die Begriffe Customer Experience und Customer Journey kommt man kaum herum. Natürlich kann man sie übersetzen mit Kundenerfahrung und Kundenreise, aber das wirkt etwas hölzern und vor allem haben sich die beiden englischen Begriffe mittlerweile weit verbreitet.

Interaktionsschema klassich

Schema der Interaktion eines Nutzers mit der Site

Die Customer Experience beschreibt die Gesamterfahrung eines Kunden mit einem Produkt bzw. einem Unternehmen. Das ist also viel, viel mehr als nur der Bestellprozess auf einer Website. Dieser ist bei einem Webshop zwar der zentrale Teil der Customer Experience, aber hinzu kommen Dinge, die vor dem Besuch der Site stattfinden. Zum Beispiel:

  • Vorherige Meinung des Kunden zum Produkt
  • Vorherige Meinung zum Unternehmen/zur Marke
  • Lesen von Berichten über Produkt/Unternehmen
  • Wahrnehmung von Social Media-Aktivitäten
  • Aufmerksam-Werden auf Produkt/Unternehmen (Empfehlung, Banner-/Adsense-Werbung, Newsletter…)

Und außerdem kommen Dinge hinzu, die nach dem Besuch der Site bzw. dem Abschluss/Kauf stattfinden, etwa:

  • Bestätigungs-Mail
  • Sendungsverfolgung
  • Auspacken
  • Aufstellen/Inbetriebnahme
  • Kontaktaufnahme mit Kundendienst/Support
  • Langfristiger Umgang mit dem Produkt
  • Weiterempfehlung/Beschwerden (persönlich, über Soziale Medien)
  • Entsorgung
Interaktionsschema umfassend

Schema eines etwas umfassenderen Blick auf die Customer Experience

Die Customer Journey ist der genaue Weg, den der Kunde geht. Sie ist sozusagen die Beschreibung der Customer Experience anhand eines konkreten Kaufs. Gelegentlich wird der Begriff Customer Experience auch gebraucht, um die Erfahrung während eines einzigen Kaufs zu beschreiben.
Meist werden die beiden Begriffe gleichwertig verwendet, ich spreche aber im Folgenden nur von der Customer Journey, weil diese konkreter ist.

Wozu eine Customer Journey Map?

Die Customer Journey Map stellt einen einzelnen Abschluss inklusive aller vorhergehenden und nachfolgenden Erfahrungen visuell dar. Der Stil ist eher der einer Infografik, das heißt, mit relativ vielen Textblöcken.

Der Weg ist das Ziel

Auch bei der Customer Journey Map ist der Weg in vielen Fällen wichtiger als das Ziel. Die Map ist ein Dokument, das in der Zusammenarbeit vieler Beteiligter entsteht: Konzepter, Informations-Architekten, UX-Designer, Produkt Owner, Marketing-Verantwortliche, Social Media-Betreuer uvm.

Sie alle steuern Informationen bei und überlegen gemeinsam, wie der Kunde idealerweise von A nach B kommt. Welche Erwartungen er an seine Reise hat, welche Erlebnisse er dort macht.

Dadurch haben alle Beteiligten die Gelegenheit, einen Blick auf das Große Ganze zu werfen. Manche werden es zum ersten Mal machen, für andere ist es eine Gelegenheit, dies einmal wieder zu tun und dabei die Informationen und Meinungen anderer im Team kennenzulernen.

Leicht verdauliche Informationen

Längere Dokumente („Deliverables“), die nur aus Text bestehen, erleiden in größeren Projekten das Schicksal, dass sie kaum gelesen werden. Je weiter oben Beteiligte in der Hierarchie sind, desto weniger Zeit nehmen sie sich meist, Projektdokumente zu lesen.

Daher arbeite ich bei Projekten, bei denen viele „Stakeholder“ im Team sind, gern mit kürzeren, visuell ansprechend gegliederten Dokumenten.

Außerdem erzählt die Customer Journey Map eine Geschichte, was dieses Dokument spannender zu lesen macht.

Schatzkarte und Reiseplan

Anhand der Customer Journey Map kann man sehen, wie die derzeitige Erfahrung der Kunden mit der Site ist. Man entdeckt, wo man ansetzen kann, um die Nutzererfahrung und damit die Site zu optimieren. Man sieht, an welchen Stellen möglicherweise Abbrüche vorkommen oder wo sich Chancen für weitere Verkäufe und/oder eine engere Bindung geben. Oder wo man ansetzen kann, um zum Beispiel einen treuen Kunden zum Fan zu machen, der einen weiterempfiehlt.

Damit zeigt die Customer Journey Map nicht nur, wie die Reise des Kunden ist, sondern auch wo Ihre Reise hingeht, wenn Sie die Site/das Produkt/das Unternehmen voranbringen wollen.

Wann sind sie sinnvoll?

Der Aufwand, eine Customer Journey Map zu erstellen, ist erheblich. Vor allem müssen Sie zunächst eine Menge Daten erheben. Denn es ist nicht sinnvoll, einfach nach Gefühl eine solche Map erstellen zu lassen – womöglich auch noch von denjenigen, die das Projekt seit Langem betreuen. Denn das birgt die Gefahr, dass die Map nur abbildet, wie es sein sollte, nicht das, was tatsächlich ist.

Je mehr Daten von Ihren Nutzern Sie haben, desto besser wird die Map.

Generell lohnt sich der Aufwand nach meiner Meinung vor allem dann, wenn viele und/oder in der Hierarchien weit oben stehende Stakeholder beim Projekt beteiligt sind.

In gut strukturierten Projekten werden viele Inhalte, die Sie für die Map brauchen, sowieso zusammengetragen. Und beim Zusammenstellen der Map merken Sie schnell, wenn etwas fehlt.

Wie entsteht die Customer Journey Map?

Um die Customer Journey besser zu verstehen, müssen Sie Ihre (potenziellen) Kunden kennenlernen. Dazu stehen Ihnen viele Methoden der User-Experience-Forschung zur Verfügung, wie Focusgruppen, Kundenbefragungen aber auch Nutzertagebücher oder Kundenblogs.

Denken Sie auch an die Auswertung der Web-Analytics, von bisherigen Usability-Tests, Umfragen und weiteres Feedback, das Sie z.B. aus den Social Media-Kanälen gewonnen haben.

Ein guter Ausgangspunkt für das Erstellen der Customer Journey Map sind Personas. (Personas sind prototypische Nutzer, die es Ihnen erleichtern, zu erkunden, was die Nutzer wollen und wie sie mit der Site umgehen – siehe Erstellung von Personas.)

Davon ausgehend entwickeln Sie Nutzungsszenarien/Use Cases, also typische Sachen, die Nutzer mit der Site tun, wie Informationen suchen, Produkte bestellen oder Problemlösungen finden.

Vor allem folgende drei Elemente, den Nutzer betreffend, gehören auf die Customer Journey Map: Seine Bedürfnisse/Erwartungen, seine Interaktion (v.a. mit der Site), seine Emotionen. Fragen Sie sich also bei jedem einzelnen Schritt, den der Nutzer unternimmt:

  1. Was erwartet der Nutzer, was will er?
  2. Was macht er?
  3. Was fühlt er dabei?

Die meisten Customer Journey Maps sind unterteilt in einzelne Bereiche oder Phasen. Dieses können bei einem Produkt zum Beispiel sein:

  1. Aufmerksam-Werden
  2. Recherche/Entscheidungsfindung
  3. Entscheidung
  4. Kauf
  5. Erste Nutzung
  6. Weitere Nutzung
  7. Ende der Nutzungsphase
  8. Entsorgung und evtl. Neuerwerb

Bewährt hat es sich auch, die so Kontaktpunkte („Touchpoints“) zu kennzeichnen, also die Momente, in denen der Nutzer tatsächlich Kontakt zum Unternehmen hat. Oft werden die entscheidenden Punkte gesondert hervorgehoben („Moments of Truth“).

Beispiel für eine Customer Journey Map

Stark vereinfachte Customer Journey Map. Es lassen sich noch deutlich mehr Informationen unterbringen.

Gestaltung

Für die Gestaltung gibt es keine festen Regeln und kein etabliertes Format.

Generell sollten Sie aber besser nicht mit Power Point arbeiten, sondern lieber mit einem Grafikprogramm. Denn Customer Journey Maps werden schnell recht groß und haben dutzende von Textboxen, Icons, Pfeilen, Hintergründe und Fotos. Sie sind nicht dafür geeignet, per Beamer präsentiert zu werden. Ein Ausdruck in DIN A3 ist meist das Minimum, oft braucht man sogar noch größere Formate.

Wie viele Customer Journey Maps brauche ich?

Idealerweise erstellen Sie für jede Persona eine Map, möglicherweise auch noch unterschieden nach Produkt.

Um den Aufwand erträglich zu halten, segmentieren Sie Nutzer und Produkte.

Erstellen Sie zunächst nur eine erste Map, um zu sehen, wie gut Sie und Ihr Team damit arbeiten können. Sie werden schnell merken, wie nützlich dieses Hilfsmittel ist.

Was meinen Sie? Haben Sie selbst schon mit Customer Journey Maps gearbeitet? Planen Sie es?

Portraitfoto: Jens Jacobsen

Jens Jacobsen

Inhaber

benutzerfreun.de

Bisher veröffentlichte Beiträge: 27

11 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert