Motivation von Innen: Wirksame Gamification Features sind mehr als Ranglisten und Punkte

Ein Glas Würfel vor blauen Hintergrund.

Gamification-Elemente können die Nutzungshäufigkeit, Dauer und Motivation zur Auseinandersetzung mit einer Anwendung im Allgemeinen steigern. Im vorangegangen Beitrag zu diesem Thema hatte meine Kollegin Carolin Ebermann den Zusammenhang zwischen Gamification, Emotionen und Kaufentscheidungen dargestellt. Darauf aufbauend soll im Folgenden dargestellt werden, welche Features am besten geeignet sind, wie man sie entwickelt und welche positiven Beispiele es in der Praxis bereits gibt. Denn Highscores sind, wie wir heute wissen, nicht das Mittel der Wahl.

Gamification vs. gameful design

Der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen sollte zunächst geklärt werden: Bei Gamification werden in der Regel nur Spielelemente in das bestehende System implementiert, wobei bei Systemen mit gameful design bereits im Entwicklungsprozess der Spielgedanke mit einfließt. Gamification, also zusätzlich einsetzbare Elemente, können auch nachträglich noch integriert werden und sind somit für bestehende Anwendungen geeignet. Gameful design wird bereits im Entwicklungsprozess mitgedacht, wie weiter unten beschrieben ist.
Was ebenfalls oft vernachlässigt wird, ist die Unterscheidung danach, ob extrinsisch oder intrinsisch motiviert werden soll. Werden Nutzer lediglich extrinsisch motiviert, beispielsweise durch Gutscheine, Rabatte oder Geschenke, entsteht meist nur eine kurzfristige Motivation, die nicht lange anhält und danach auf dasselbe Level fällt wie vor dem externen Einfluss. Schafft man es dagegen, den Nutzer intrinsisch zu motivieren, hält dies wesentlich länger an. Und das ist ja da eigentliche Ziel von Gamification: Den Nutzer zu motivieren, sich oft und lange mit der Anwendung zu beschäftigen und zwar ohne zu aufwändige Belohnungen. Interessanterweise kann sogar eine übermäßige extrinsischen Motivation die intrinsische reduzieren (siehe dazu: Zichermann und Cunningham (2011)).

Spielelemente sollten Autonomie, Kompetenz und Zusammengehörigkeitsgefühl stärken

Die Selbstbestimmungstheorie von Ryan und Deci (2008) sagt aus, dass durch die Förderung von Autonomie, Kompetenz und Zusammengehörigkeit, die Motivation langfristig intrinsisch gesteigert werden kann. Aus diesem Grund sollten die Spielelemente diese Aspekte stärken und der spielerische Gedanke im System stark verankert sein. Durch den Spielcharakter kann eine intrinsische Motivation entstehen, die Anwendung oft und lange zu nutzen. Dadurch wiederum kann die Bindung und Weiterempfehlungsbereitschaft zum Anbieter bzw. der Anwendung gesteigert werden.
Die folgenden Aspekte zahlen auf Autonomie, Kompetenz und Zusammengehörigkeit ein und können dadurch die intrinsische Motivation zur Nutzung steigern:

  • Rückmeldung zum Ziel: Spiele und der Sinn eines Spiels sind meistens komplex. Ungünstig ist es, wenn die Rückmeldung nur auf ein Hauptziel erfolgt. Beispielsweise besteht eine sichere Fahrweise nicht nur aus der Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, sondern auch auf ausreichend Abstand zum Vorausfahrenden. Man sollte das Feedback zu mehreren Zielen ermöglichen (hier: z. B. geringe Beschleunigung und ausreichend Abstand zum Vordermann), die zu dem oberen Ziel (hier: eine sichere Fahrweise) führen. Diese Transparenz erhöht die Motivation.
  • Regeln, wie das Ziel erreicht werden kann: Es sollte klar sein, was man tun kann um ein Ziel zu erreichen und was dabei erlaubt ist und was nicht. Die Regeln sollten für alle Nutzer gleichsam gelten.
  • Feedback durch Punkte, Fortschrittsbalken und Level: Das Feedback sollte zeitnah zu dem Verhalten erfolgen. Es kann jedoch auch, falls es während einer Nebenaufgabe gegeben wird, zunächst in einer Kurzform erfolgen und zu einem späteren Zeitpunkt detaillierter ausfallen.
  • Freiwillige Teilnahme: Die Teilnahme an einem Spiel sollte niemals Voraussetzung für die Nutzung einer Anwendung sein, sondern immer freiwillig gestaltet sein. Sonst kann keine intrinsische Motivation entstehen.

Förderlich ist es zudem, wenn das Spiel ein übergeordnetes, sinnvolles Ziel verfolgt. So stärkt beispielsweise das Ziel „Abgase reduzieren um den Klimawandel zu stoppen“ die Motivation zu einer Teilnahme an einem Spiel welches sich um eine spritsparende Fahrweise dreht.

Entwicklungsprozess für Design, das intrinsisch motiviert

In dem sehr gehaltvollen Beitrag Game over für Gamification beschreibt Susi Augustin unter anderem, wie nun Gamification-Elemente gefunden und entwickelt werden können, welche den Nutzer tatsächlich motivieren:

    1. 1. Analyse: Identifizieren von inhärenten Herausforderungen im Zielstreben der Nutzer
    1. 2. Design: Überwindung jener Herausforderungen soll ein motivierendes Gefühl der Kompetenz vermitteln

Empfohlen wird ein fünfstufiger Designprozess: Strategie, Forschung, Synthese, Ideenfindung und iteratives Prototyping.

Methoden:

  • “Laddering Interviews” zur Ermittlung von Aktivitäten (hierbei sind auch Methoden der klassischen Anforderungsanalyse geeignet)
  • “Innovation Stems” zur Ideengenerierung
  • “Design Lenses” zur Adaption von Game Design Konzepten ins Interaction Design
  • “Skill Atoms”, andauernde Feedbackschleifen zwischen Nutzer und System, um eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen

Beispiele für motivierende Elemente aus den Bereichen Mobilität, Hobby & Politik

Wer oben genannte Entwicklungsprozess nicht durchlaufen kann oder möchte, weil die Anwendung vielleicht schon vorhanden ist, kann über das Einfügen von Gamification-Elementen nachdenken. Die folgenden Anwendungen nutzen diese recht intensiv, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise.

So wird eine nachhaltige Fahrweise gefördert

Fiat Eco Drive: Förderung einer nachhaltigen Fahrweise; die Fahrer bekommen in Abhängigkeit ihres Fahrstils ein Feedback. Des Weiteren sammeln die Fahrer durch einen Score Punkte, die sie zum Errichten eines gesunden virtuellen Platzes verwenden können.

Ein weiteres Beispiel, wie ein Anreiz zum Mitmachen geschaffen wird

Waze: Verkehrsprobleme melden, damit das Fahren effizienter wird. Punkte und Ranglisten rufen einen Wettbewerb hervor. Übergeordneter guter Zweck: CO2-Ausstoß reduzieren, den Mitmenschen Zeit sparen.

Fitness-App lässt sportliche Aktivitäten zum Spiel werden

Fitocracy Fitness-App: Macht das Workout zu einem sozialen „Spiel“, bei dem jede Trainingseinheit Punkte gibt und diese mit der Community geteilt werden können.

Statistiken sollen Anreiz liefern

Audible: Sehr einfaches Gamification-Konzept: Verschiedene Statistiken über die Nutzung sollen diese wiederum intensivieren.

Mit dieser App soll die Wahlbeteiligung erhöht werden.

Commit to vote challenge: Ziel ist es den Nutzer dazu zu bringen, andere Nutzer davon zu überzeugen wählen zu gehen. Je mehr man überzeugt hat, desto mehr Punkte bekommt man bzw. wird mit virtuellen Trophäen und Leaderboards belohnt. Übergeordnetes Ziel: Wahlbeteiligung erhöhen.

Fazit

Es gibt viele Möglichkeiten, mit Spielelementen die Motivation des Nutzers zu erhöhen, sich mit einer Anwendung auseinanderzusetzen. Dabei sollten externe Motivatoren wie Preise oder Rabatte äußerst sparsam eingesetzt werden. Sehr hilfreich ist ein übergeordnetes, nachvollziehbares Ziel, welchem wiederum andere Ziele angehören bzw. darauf einzahlen. Werden Gamification-Elemente integriert, sollte auf verständliche Ziele und Regeln, Feedback und Freiwilligkeit geachtet werden.
Die Entwicklung von Gamification-Elementen, insbesondere von gameful design, sollte nutzerzentriert und in einem speziell angepassten Prozess erfolgen.
Die Wirkung von Gamification kann über Webtracking-Daten in Verbindung mit einer zielführenden Interpretation (z. B.: Analytics Review) oder spezielle Fragebögen (z. B. Online-Befragung) gemessen werden.

Zitierte Quelle:

Zichermann, G., and Cunningham, C. (2011). Gamification by design: Implementing game mechanics in web and mobile apps. “ O’Reilly Verlag.
Edward L. Deci, & Richard M. Ryan (2008): Self-Determination Theory: A Macrotheory of Human Motivation, Development, and Health, S. 183. In: Canadian Psychology 49, 182–185.

Portraitfoto: Elske Ludewig

Elske Ludewig

Geschäftsführerin

eresult GmbH

Bisher veröffentlichte Beiträge: 10

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