Tipps und Tricks für erfolgreiche Informationsarchitektur-Projekte – Vorbereitung

Sie verwenden die Methode Card Sorting oder Tree Test bereits, sind sich aber unsicher, ob Sie die Methoden bestmöglich einsetzen und sind an Tipps und Tricks interessiert? Dann sind Sie bei diesem zweiteiligen Blogbeitrag richtig! Der erste Teil befasst sich mit Tipps zur Vorbereitung – der zweite Teil mit Tipps zur Durchführung und Auswertung. Sie erfahren auf Grund von langjähriger eresult-Projekterfahrung worauf Sie bei Card Sortings und Tree Tests achten sollten und was typische Fallstricke sind.

Im ersten Teil wird auf folgende Themen eingegangen:

  • Kennen Sie Ihre Nutzer!
  • Machen Sie sich mit dem Inhalt vertraut
  • Involvieren Sie alle relevanten Stakeholder frühzeitig
  • Stichprobengröße
  • Anzahl Karten (Card Sorting)
  • Anzahl Suchaufgaben (Tree Test)

Card Sorting hilft Ihnen dabei nutzerzentrierte Informationsarchitekturen zu entwickeln, so dass Ihre Nutzer Inhalte schnell und einfach auffinden können. Dabei handelt sich nicht nur um die Erarbeitung der Navigation. Falls Sie mehr zu den Einsatzgebieten von Card Sorting erfahren möchten, finden Sie hier einen Blogbeitrag dazu. Möchten Sie sich einen tieferen Einblick in das generelle Thema Card Sorting verschaffen, empfiehlt sich unser Whitepaper.

Kennen Sie Ihre Nutzer!

Ein erfolgsrelevanter Faktor stellt die Fähigkeit dar, sich in die Lage der Nutzer versetzen zu können. Dafür muss möglichst viel Wissen über die Nutzer existieren. Folgende Fragen sollten Sie beantworten können:

  • Wer sind die Nutzer (Alterstsruktur, Geschlecht, Vorwissen, etc.)?
  • Was sind die Ziele dieser Nutzer?
  • Was sind typische Use Cases dieser Nutzer?

Diese Fragen sollten im Voraus z. B. durch eine Onsite-Nutzerbefragung geklärt werden. Das Wissen über Nutzer und ihre Bedürfnisse ist unerlässlich. Es unterstützt Sie bei der Erarbeitung einer schlüssigen Struktur und bei der Auswahl der richtigen Card Sorting-Variante. Hier können Sie mehr darüber erfahren, wie Sie Ihre Kunden besser kennenlernen und verstehen können.

Analyse der Inhalte

Bevor Sie tief ins Projekt einsteigen und mit der tatsächlichen Durchführung des Card Sortings beginnen, müssen Sie die Anwendung und ihre Inhalte, Informationen, Funktionen, etc. verstehen. Dabei kann es sich um eine Webseite, Teilbereiche einer Webseite, einen Online-Shop, eine App oder eine andere Anwendung handeln.

Um ein Card Sorting erfolgreich durchzuführen, müssen Sie die Inhalte der jeweiligen Anwendung verstehen und gut kennen!

Führen Sie hierfür ein sogenanntes „Content Audit“ durch. Die Inhalte werden dabei katalogisiert, wobei der Detaillierungsgrad variieren kann. Handelt es sich bei der Anwendung z. B. um eine Webseite, so müssen mindestens folgende Informationen erfasst werden:

  • Position in der Informationsarchitektur
  • Seitentitel
  • URL
  • Kommentare zum Inhalt

Da eine manuelle Durchführung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, sollten Sie den Content Audit möglichst automatisiert vornehmen. In einigen Fällen ist es möglich diese Informationen direkt aus dem CMS der Webseite zu exportieren. Andernfalls können Website-Crawler, wie Screaming Frog SEO Spider oder Content Insight helfen.

Auch das Ergebnis automatischer Content Audits müssen Sie sich in Ruhe ganz genau anschauen. Sie müssen verstehen welcher Content existiert und wie dieser strukturiert ist. Planen Sie ausreichend Zeit hierfür ein! Erst dann können Sie das Card Sorting angehen.

Ein Excel-Sheet reicht zur Dokumentation des Content Audits in der Regel aus. Zur besseren Visualisierung können Sie eine hierarchische Mindmap, z. B. mit XMind erstellen. Sie können Farben, Markierungen und Kommentare einfügen, um wichtige Zusatzinformationen hervorzuheben.

Abbildung 1: Ausschnitt aus einer Mindmap in XMind.

Stakeholder frühzeitig involvieren

Neben dem Verständnis über die Nutzer und Inhalte, ist es von hoher Relevanz die Beteiligten früh ins Boot zu holen. Je nach Unternehmensgröße kann es sich hierbei um eine Vielzahl von Stakeholdern handeln. Diese müssen die Rahmenbedingungen der Anwendung ebenfalls verstehen. Mögliche Stakeholder sind:

  • Marketing
  • Brand-Management
  • SEO
  • Content-Autoren
  • IT/CMS
  • Analytics

Holen Sie die Verantwortlichen frühestmöglich ins Boot, um nicht zu einem späteren Zeitpunkt auf Probleme zu stoßen.

Ermitteln Sie die zentralen Dos & Don’ts, z. B. durch Interviews. Die Stakeholder sollten auch bei der Gestaltung der Informationsarchitektur und in die Feedbackschleifen involviert werden.

Stichprobengröße

Die Anzahl der Probanden sollte groß genug sein, da sich die Ergebnisse des Card Sortings stark unterscheiden können. Es existieren unterschiedliche Empfehlungen über die optimale Anzahl an Probanden bei einem moderierten Card Sorting. Um valide Ergebnisse zu erhalten empfiehlt Jakob Nielson eine Anzahl von 15 Probanden, während Tullis und Wood 20-30 Probanden empfehlen. Da es sich um einen generativen Ansatz handelt, ist eine höhere Streuung anzunehmen, als bei einem evaluierenden.

Wir bei eresult empfehlen eine Anzahl von mind. 10 Probanden, besser 15.

Bei einem Reverse Card Sorting (auch Tree Test genannt) hingegen, handelt es sich um einen evaluierenden Ansatz. Bei einem unmoderierten Online Tree Test sollten pro Aufgabe sollten ca. 50, besser 70-100 Probanden pro Variante teilnehmen, um valide Ergebnisse zu erhalten.

Anzahl der Karten (Card Sorting)

Es ist wichtig, dass Probanden nicht den Überblick bei einem Card Sorting verlieren und sich ausreichend mit den einzelnen Inhalten beschäftigen können. Bei einem moderierten Offline Card Sorting machen daher mehr als 60 Karten keinen Sinn. Müssen viele Begriffe den Nutzern zunächst erklärt werden, reduziert sich die Anzahl der Karten die sortiert werden können.

Planen Sie für 60 Karten ca. 75 Minuten ein.

Bei einem Online Card Sorting sollten Sie nicht mehr als 40 Karten verwenden, da technische Beschränkungen, wie z. B. die Bildschirmgröße existieren. Das Erfassen vieler Karten wird für die Probanden dann zunehmend schwierig.

Wie gehen Sie damit um, wenn die Informationsarchitektur mehr als 60 Inhalte aufweist?
Hierfür gibt es verschiedene Tricks:

      1. Zeigen Sie nicht jedem Probanden alle Karten:

        a. Ggf. können Sie nach Zielgruppen selektieren, so dass jeweils nur die für diese Zielgruppe relevanten Karten betrachtet werden
        b. Bilden Sie überlappende Card Sortings, z. B. werden 150 Karten in 4 Gruppen mit je 50 Karten aufgeteilt.
      2. Reduzieren Sie die Anzahl der zu sortierenden Begriffe.

        a. Ist die Zuordnung völlig klar oder aus anderen Gründen vorgegeben, so können Sie diese Bereiche weglassen.
        b. Ähneln Inhalte sich so stark, dass sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit gemeinsam gruppiert werden, können Sie diese zusammenfassen.

Suchaufgaben (Tree Test)

Die Suchaufgaben beeinflussen maßgeblich die Validität und Aussagekraft der Ergebnisse von Tree Tests. Insbesonders bei unmoderierten Tests haben Sie nur einen Versuch. Es ist kein Nachfragen auf Probanden- oder auf Ihrer Seite möglich, um weitere Erklärungen zu erhalten. Sie müssen die richtigen Aufgaben wählen und diese gut formulieren. Die Aufgaben sollten dem tatsächlichen Bedarf der Nutzer entsprechen und kurz und präzise formuliert sein. Existieren bereits Hypothesen zu potenziell problematischen Begriffen, gehen Sie speziell auf diese ein. Formulieren Sie Aufgaben, die diese Aspekte der Informationsarchitektur beleuchten. Begrifflichkeiten der Informationsarchitektur sollten nicht verwendet werden, um eine Beeinflussung und Lenkung der Probanden auszuschließen.

Für eine ganzheitliche Betrachtung der Informationsarchitektur sollten zwei unterschiedliche Suchaufgaben pro zu untersuchenden Inhalt formuliert werden.

Werden mehrere Varianten getestet, müssen für valide Ergebnisse alle zu suchenden Inhalte in allen Varianten zu finden sein. Es kommt bei den Probanden bei einem Tree Test schnell zu Lerneffekten, was zu Reihenfolgeeffekten führt. Daher kann ein Proband ca. 10-15 Suchaufgaben lösen und bei mehreren zu testenden Varianten, nur an einer Variante des Tests teilnehmen. Um alle Bereiche der Informationsarchitektur betrachten zu können, sollten die Aufgaben in zufälliger Reihenfolge gestellt werden.

Ich hoffe dieser erste Teil konnte einige hilfreiche Tipps & Tricks für Sie bereitstellen. Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit der tatsächlichen Durchführung und Auswertung von Card Sortings und Tree Tests.
Falls Sie sich einen tieferen Einblick in das generelle Thema Card Sorting verschaffen möchten, empfiehlt sich dieses Whitepaper, das sie kostenlos über unseren Download-Bereich herunterladen können.

Haben Sie weitere Themen, zu denen Sie sich Tipps & Tricks wünschen? Haben Sie hilfreiche Tipps zur Anwendung von Card Sortings und Tree Tests? Was sind Ihre Meinungen dazu?

Portraitfoto: Julia Beyer

Julia Beyer

Team Lead UX & Principal UX Consultant

eresult GmbH

Bisher veröffentlichte Beiträge: 6

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